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#AkteKeyenberg – Tagebau-Anwohner*innen wollen mit Hilfe des Gesetzes ihre Dörfer retten

Energiegigant RWE – Europas größter CO2-Verursacher und Betreiber der umweltschädlichsten Kohlekraftwerke und Tagebaue Deutschlands – hat sich ein neues grünes Image verpasst. Unter dem Hashtag #NeueRWE vereint der Konzern sein Vorhaben, in Zukunft massiv auf erneuerbare Energien zu setzen und bis 2040 klimaneutral zu werden. Auf einer Pressekonferenz versicherte RWE so seinen Investor*innen und zahlreichen Medienvertreter*innen, dass das Unternehmen für das 21. Jahrhundert gewappnet sei. Schnell wurden kritische Stimmen laut: RWEs Ausstieg aus der Kohle im Jahr 2038 sei beinahe ein Jahrzehnt zu spät, um die Pariser Klimaziele einzuhalten. Gleichzeitig fordern immer mehr RWE-Investor*innen, das unrentabel und imageschädigende Kohlegeschäft aufzugeben.

Während RWEs CEO Schmitz sich in Essen den Fragen der Journalist*innen stellte, fand nur wenige Kilometer weiter in Düsseldorf eine weitere Pressekonferenz statt.

Menschenrecht vor Bergrecht! Dorfbewohner*innen legen sich mit RWE an

Wie tausende Bewohner*innen aus mehr als einem Dutzend Dörfer zuvor, sollen auch die Tagebau-Anwohner*innen der Ortschaften Kuckum, Keyenberg, Berverath, Ober- und Unterwestrich in den nächsten Jahren ihre Heimat verlassen. Die Jahrhunderte alten Dörfer sollen dem Tagebau Garzweiler II weichen und dem Erdboden gleichgemacht werden. So planen es seit Jahren die nordrhein-westfälische Landespolitik und der Energieversorger RWE und so wird es nach heutigem Stand im Jahr 2023 umgesetzt – falls das Gericht nicht anders entscheidet.

Denn es regt sich Widerstand: Eine Gruppe von Familien, deren Dörfer zerstört werden sollen, wehrt sich unter dem Namen “Menschenrecht vor Bergrecht” gegen die Pläne von RWE.

Unter ihnen lagern 1,3 Milliarden Tonnen umweltschädlicher Kohle, mit denen der Kohlekonzern seine nahegelegenen Kraftwerke Niederaußem und Neurath befeuern will, zwei der größten und dreckigsten Kohlekraftwerke Europas. Ihre gesamte Heimat soll zerstört werden – für die Erweiterung des Tagebaus Garzweiler II, der sich bereits heute auf beinahe 50km2 erstreckt.

Das wollen die Dorfbewohner*innen so nicht hinnehmen. Sie haben sich entschieden, zu bleiben und ihr Zuhause zu verteidigen, notfalls auch vor Gericht. Das Forbes Magazin spricht bereits jetzt von einem “PR Albtraum”, den die #NeueRWE erwartet.

Dürfen Unternehmen Menschen für Kohle umsiedeln?

Gemeinsam haben sich die Mitstreiter*innen ein Grundstück am Ortsrand von Keyenberg gekauft. Wenn die Braunkohlebagger von RWE wie geplant 2023 kommen, wäre dieses Grundstücke eines der ersten, das abgerissen werden würden. Die neue Eigentümergemeinschaft hat sich jedoch versprochen, das gemeinsame Grundstück unter keinen Umständen an RWE zu verkaufen.

Zum Zeitpunkt, an dem die Gemeinschaft an die Öffentlichkeit getreten ist, lag für ihr Grundstück noch kein Angebot oder Enteignungsantrag von RWE vor. Daher ergriff die Gruppe den einzigen rechtlichen Schritt, der ihnen derzeit möglich ist, um schnellstmöglich Klarheit für ihre Zukunft zu schaffen: In einem Brief an RWE stellen die Tagebau-Anwohner*innen klar, dass sie über ihr gemeinsames Grundstück nicht verhandeln werden und appellieren an das Unternehmen, von ihren Umsiedlungsplänen abzusehen. Gleichzeitig ging auch ein Appell an die Landesregierung sowie die Bezirksregierung Arnsberg, die für die Grundabtretung zuständig ist. „Menschenrecht vor Bergrecht“ fordern sie – und damit auch eine öffentliche Erklärung von RWE darüber, dass niemand mehr dazu gezwungen wird, sein Zuhause für Kohle zu verlassen. Meint der Konzern seinen Imagewechsel ernst, scheint dieser Schritt ein guter Start für eine #NeueRWE.

Sollte das Unternehmen jedoch nicht einlenken und seine Plänen der Tagebauerweiterung weiter umsetzen, bleibt RWE nur noch der Weg über ein sogenanntes Grundabtretungsverfahren, kurz: Enteignung. Die Bezirksregierung Arnsberg wird dann entscheiden, ob die Eigentümergemeinschaft zugunsten von RWE enteignet werden darf. Gegen diese Entscheidung kann die Gruppe „Menschenrecht vor Bergrecht“ vor Gericht ziehen und dort die Frage klären lassen, ob Enteignungen für die Braunkohleverstromung heutzutage noch rechtens sind.

Ein Urteil zugunsten der Eigentümergemeinschaft könnte einen Präzedenzfall schaffen und die Karten für tausende Menschen in Deutschlands neu mischen, die aktuell von Enteignung für Braunkohle bedroht sind.

Die Chancen vor Gericht stehen dabei so gut wie vielleicht noch nie: Die Anwohner*innen sind zu Recht davon überzeugt, dass angesichts des vereinbarten Kohleausstiegs, der kürzlich erfolgten Unterzeichnung der Powering Past Coal Alliance und der dringenden Notwendigkeit, gegen den Klimawandel vorzugehen, Enteignungen für Kohle nicht mehr zu rechtfertigen und möglicherweise verfassungswidrig sind.

Und auch wirtschaftlich steht es um die Kohle schlecht bestellt: Marktexperten haben geprüft, ob sich der Abbau von Braunkohle noch lohnt und festgestellt, dass die Aufrechterhaltung der Energieform wirtschaftlich nicht mehr rentabel ist.

Kohleausstieg in Deutschland: Ändert RWE den Kurs?

Trotz der neuen PR-Strategie in Richtung erneuerbarer Energien – einschließlich der Ankündigung eines „verantwortungsvollen Ausstiegs aus den fossilen Energieträgern“ – scheint die RWE ihre Kohle-Aktivitäten fortzuführen. CEO Rolf Schmitz bestätigte dies in einer Pressekonferenz auf Nachfrage eines Journalisten.

Es ist schwer nachzuvollziehen, wie der weiter andauernde Kohleabbau mit dem Image der „Neuen RWE“ zusammenpassen soll. Die Pressesprecher*innen des Unternehmens beharren weiter darauf, dass die Energiesicherheit Deutschlands noch immer von Kohle als Energieträger abhängt – bis das Gesetz den Einsatz von Kohle verbietet.

Da RWE darauf besteht, einen Teil des Hambacher Forst und der umliegenden Dörfer für den weiteren Kohleabbau zu opfern, scheint das Unternehmen nicht sonderlich daran interessiert zu sein, sein Kohlegeschäft früher als nötig aufzugeben.
Und der Grund, warum RWE sich als Frist für den Kohleausstieg das Jahr 2040 gesetzt hat, anstatt sie mit dem von der Kohlekommission vorgeschlagenem Ausstiegstermin bis 2038 in Einklang zu bringen? Es “klingt besser”, so Schmitz.

Leben am Tagebau Garzweiler

Man muss das Leben am Rande eines Tagebaus gesehen haben, um zu verstehen, was die Anwohner*innen durchmachen. Nur wenige Meter von den Dörfern Keyenberg, Kuckum, Berverath und Westrich entfernt, enden die fruchtbaren Felder und blumigen Wiesen abrupt vor einem riesigen Loch, wo früher noch Wildtiere gelebt, Kirchen gestanden und Kinder zur Schule gegangen sind.

Aber schlimmer noch als neben einem Tagebau zu leben, ist zu wissen, dass die eigene Heimat bald für immer verloren sein soll. Für die Gruppe „Menschenrecht vor Bergrecht“ sind rechtliche Schritte die einzige Möglichkeit, sich dagegen zu wehren.

Die Dorfbewohner*innen wissen, dass ihnen eine lange, belastende Zeit bevorsteht. Aber sie sind in ihren Heimatorten tief verwurzelt und nicht bereit, ihr Zuhause aufzugeben.

ClientEarth unterstützt Menschenrecht vor Bergrecht dabei der Öffentlichkeit zu zeigen, was heute in Deutschland im Namen von Braunkohle noch möglich ist.

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