Landwirtschaft: Wichtig, wertvoll - zukunftsfähig?

Obwohl es die Natur ist, die uns mit Nahrung versorgt, die Luft zum Atmen gibt und das Wasser liefert, das unsere Felder bewässert, nehmen wir sie viel zu oft als selbstverständlich hin. Wir roden Wälder, überfischen die Meere, verschmutzen Flüsse und überbauen Feuchtgebiete. Diese Handlungen haben Konsequenzen. Wir stehen vor einer Krise der biologischen Vielfalt, der planetaren Grenzen und der Klimaerwärmung. Wenn wir nicht lernen, natürliche Lebensräume auf nachhaltige Weise für uns zu nutzen, ohne wichtige Ökosysteme zu zerstören, gefährden wir unsere eigene Existenz. Eine Umstellung auf nachhaltige Landwirtschaft ist ein wichtiger Bestandteil dieses Umdenkens.

→ In Deutschland sind die Lebensräume von Tieren und Pflanzen, die nach EU-Recht geschützt sind, als Fauna-Flora-Habitat-Gebiete, kurz FFH-Lebensräume, bekannt. Doch der Schutz dieser Ökosysteme ist unzureichend.

→ Süßwasserlebensräume, kontinentale Lebensräume und Sümpfe sind landesweit in einem schlechten Zustand.

→ Nur 8% der deutschen Seen und Flüsse sind in gutem oder sehr gutem Zustand. Die Hauptursache dafür ist die hohe landwirtschaftliche Belastung durch stickstoffhaltige Düngemittel, Pestizide und Feinsedimente.

→ Deutschland gehört zu den vier größten Verbrauchern von Pestiziden in der EU: Im Jahr 2021 waren in Deutschland noch 39 Pestizide im Einsatz, die laut EU-Verordnung ersetzt werden sollten, da sie besonders gesundheits- oder umweltschädliche Wirkstoffe enthalten.

→ Rund 40% der Treibhausgas-Emissionen in der Landwirtschaft in Deutschland stammen aus der Nutzung entwässerter Torfgebiete wie Moore.

Intensive Landwirtschaft und ihre Folgen

In Deutschland und Europa dominiert die sogenannte intensive Landwirtschaft. Sie hat zum Ziel, den höchsten Ertrag pro Flächeneinheit zu erwirtschaften und erreicht dies unter anderem durch:

  1. den übermäßigen Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln (Pestizide)
  2. den übermäßigen Einsatz von Düngemitteln
  3. hoch entwickelte Agrartechnik
  4. die durchgängige Nutzung von Ackerfläche
  5. eine industrialisierte Massentierhaltung

Diese intensive Landwirtschaft spielt eine große Rolle in der Ausnutzung der Natur und den Folgen für die Klimakrise.

Wo liegen die Probleme?

Pestizide

Pestizide können für alle Lebewesen schädlich sein und sich nachteilig auf deren Lebensraum auswirken. Insbesondere auf Insektenpopulationen, die wichtige Säulen von Ökosystemen darstellen, hat der starke Einsatz von Insektiziden und Herbiziden verheerende Auswirkungen. Ohne Insekten keine Bestäubung, ohne Bestäubung keine Früchte, Gemüse oder Nüsse.

→ Weltweit sind ⅓ aller Insektenarten vom Aussterben bedroht.

→ In deutschen Naturschutzgebieten hat sich die Biomasse der Fluginsekten innerhalb von 20 Jahren um 76 Prozent reduziert.

Über das Grundwasser oder die Atmosphäre können sich Pestizide zudem großflächig in der Umwelt verteilen. Damit können sie auch schwerwiegende indirekte Auswirkungen auf Ökosysteme, beispielsweise auf Nahrungsketten, haben.

Gesundheitliche Risiken: Die Nutzung von Pestiziden kann auch starke Einflüsse auf die Endprodukte intensiver Landwirtschaft haben und beeinflussen damit direkt die menschliche Gesundheit. Obwohl Supermarktetiketten oft mit Begriffen wie "giftfrei" oder "natürlich" werben, sind Unternehmen nicht verpflichtet, die chemische Zusammensetzung ihrer Produkte offenzulegen bzw. auf die Nutzung von Pestiziden in der Lieferkette hinzuweisen. Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen Pestiziden und Krankheiten wie Parkinson, Leukämie und verschiedenen Krebsarten.

Überdüngung

Überdüngung führt zu einer Übersäuerung der Böden. Besonders Massentierhaltung trägt dazu bei, dass der Boden aus dem Gleichgewicht gerät. Die Nährstoffkreisläufe kommen aus dem Gleichgewicht und Böden werden mit Gülle überdüngt. Im Westen Deutschlands, wo besonders viele Tiere in Massentierhaltung leben, sind Besorgnis erregende Nitratwerte im Trinkwasser messbar.

Die Wasserqualität Deutschlands führte bereits 2016 zu einer Klage in Brüssel. Grund: Deutschland verletzte die EU-Nitratrichtlinie, die vor allem Verunreinigungen des Grundwassers durch Nitrate aus der Landwirtschaft durch Düngung verhindern soll. Es folgte eine Novellierung des Düngerechts, die von Umweltexpert*innen jedoch noch als unzureichend beschrieben wird.

Emissionen

Düngemittel sind auch mit Blick auf Emissionen relevant: Stickstoffdünger führt, wenn er in Grünflächen und Moorböden gelangt, durch chemische Reaktionen zu Emissionen von N2O - Lachgas - welches 300-mal so klimaschädlich ist wie CO2. Diese Emissionen sind, zusammen mit dem Methanausstoß von Wiederkäuerverdauung, die größten in der deutschen Landwirtschaft und machen zusammen mehr als 50% der CO₂-Äquivalente dieses Wirtschaftszweiges aus.

Ein weiterer Aspekt ist der Beitrag landwirtschaftlicher Emissionen zur Feinstaubbelastung. Ammoniak fördert die Entstehung und Verbreitung von Feinstaub maßgeblich - mehr als 90% der Ammoniakemissionen in Europa stammen aus der Landwirtschaft. Die Tierhaltung ist für den Großteil der Emissionen verantwortlich, aber auch der übermäßige Düngereinsatz spielt eine Rolle. Vorzeitige Todesfälle in Verbindung mit Luftverschmutzung werden hauptsächlich durch Feinstaub verursacht.

Wege in die Zukunft

Die Landwirtschaft von heute zerstört die Landwirtschaft von morgen. Es ist an der Zeit, dass wir uns dieser Herausforderung stellen und nachhaltige Lösungen finden. Weltweit wächst der Lebensmittelbedarf - zur Bekämpfung der Klima- und Biodiversitätskrise ist es daher entscheidend, diese Probleme anzugehen und nachhaltige Formen der Landwirtschaft zu etablieren. Dafür setzt sich ClientEarth in Deutschland und europaweit ein.

Was wir tun

  1. Engagement für eine nachhaltige, regenerative Landwirtschaft

    Wir arbeiten mit einer Koalition von Nichtregierungsorganisationen zusammen, um ein neues Agrarmodell zu fördern. Derzeit werden die meisten EU-Agrarsubventionen an Landwirt*innen aufgrund der Größe ihrer Felder verteilt, ohne Anreize für umweltfreundliche Aktivitäten zu schaffen. Unser Ziel ist es, dass die Gemeinsame Agrarpolitik eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der Ziele des Europäischen Green Deal spielt, indem sie ländliche Gemeinden bei der Umstellung auf nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken unterstützt, die die Natur und unsere Gesundheit schützen.

  2. Transformation des Lebensmittelsektors

    Die Klima- und Biodiversitätskrise, die öffentliche Gesundheit, soziale
Ungerechtigkeit und der Zugang zu gesunden Lebensmitteln sind Herausforderungen,
die einen grundlegenden Wandel im Lebensmittelsektor erfordern. Die EU-Strategie „Farm-to-Fork“ gibt die Vision für ein neues europäisches Lebensmittelsystem vor, indem sie bestehende Lücken schließt. Gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen arbeiten wir daran, diesen systemischen Wandel zu erreichen.

  3. Schutz unserer Böden

    Böden erfüllen viele wichtige Funktionen: Sie binden Kohlenstoff, reinigen
Wasser, unterstützen die Artenvielfalt und liefern uns Nahrung. Dennoch leiden sie unter schlechter Bewirtschaftung und intensiver landwirtschaftlicher Nutzung. In der EU gibt es derzeit keinen angemessenen rechtlichen Rahmen zum Schutz unserer Böden. Wir setzen uns dafür ein, das Bewusstsein für dieses Thema zu schärfen und den politischen Willen in der EU zu stärken.

  4. Bekämpfung der Umweltverschmutzung durch intensive Landwirtschaft

    Wir stellen sicher, dass die geltenden Agrar- und Umweltvorschriften in der
gesamten EU konsequent umgesetzt werden. Wir machen die Mitgliedstaaten für die Verschmutzung von Boden, Luft und Wasser verantwortlich, die durch landwirtschaftliche Praktiken verursacht wird, die nicht den EU-Standards entsprechen.