ClientEarth
14. Juli 2025
Ein spanisches Gericht hat bestätigt, dass Behörden ihre Bürger*innen vor Schäden durch industrielle Tierhaltung schützen müssen. Das Urteil könnte einen Präzedenzfall für ganz Europa schaffen.
In einer historischen Entscheidung, die den Weg für ähnliche Fälle in ganz Europa ebnen könnte, hat der Oberste Gerichtshof von Galizien am 11. Juli 2025 entschieden, dass die spanischen Behörden die Grundrechte der Anwohner*innen verletzt haben, indem sie nichts gegen die Verschmutzung durch industrielle Schweinezuchtbetriebe unternommen haben.
Das Gericht wies die Regionalregierung Xunta de Galicia und die Flussgebietsbehörde Miño-Sil an, unverzüglich alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Geruchsbelästigung und die Umweltzerstörung des Stausees As Conchas und seiner Umgebung zu beenden und die Grundrechte der Bevölkerung uneingeschränkt wiederherzustellen.
Dieses Urteil markiert einen entscheidenden Wandel in der gerichtlichen Behandlung der Umweltverschmutzung durch industrielle Massentierhaltung – es erkennt an, dass es sich hierbei nicht nur um ein regulatorisches oder ökologisches Problem handelt, sondern um eine Menschenrechtsverletzung.
Die Bewohner von As Conchas, unterstützt von ClientEarth, Friends of the Earth Spanien und der Verbraucherschutzorganisation CECU, reichten die Klage ein, nachdem wiederholte Appelle an lokale und nationale Behörden ignoriert worden waren. Sie argumentierten, dass die jahrzehntelange Misswirtschaft im Bereich der Schweinehaltung das Leben in ihrer Gemeinde „unmöglich” gemacht habe und ihre Gesundheit gefährde.
„Wie viele andere Einwohner von As Conchas habe ich wegen der starken Verschmutzung Angst, das Wasser aus unseren eigenen Brunnen zu trinken. Wir sind so besorgt über die Verschmutzung, dass wir nicht einmal mehr in der Nähe des Stausees spazieren gehen können. — Pablo Álvarez Veloso, Vorsitzender des örtlichen Nachbarschaftsvereins
Anstatt die Gemeinde über das tatsächliche Ausmaß der Verschmutzung in der Region zu informieren, behaupteten die lokalen Behörden jedoch, das Wasser sei in „gutem Zustand”. Seit Jahren behaupten sie sogar, dass Kinder im Stausee schwimmen und spielen können, ohne dass ein Hinweis auf die mögliche Giftigkeit des Wassers zu sehen ist.
Die Bewohner*innen haben mehrfach versucht, diese Probleme direkt bei der lokalen Regierung anzusprechen – aber der Eindruck erhärtete sich, dass ihnen niemand zuhörte. Also nahmen sie die Sache selbst in die Hand – „Wir gehen vor Gericht, um unsere Gemeinde zu schützen.“
Lokale Studien haben extrem hohe Nitratwerte im Stausee As Conchas festgestellt – zeitweise bis zu 1.000-mal höher als die üblichen Werte.
Nitrate sind ein bekannter Risikofaktor für Schilddrüsen-, Brust-, Eierstock-, Magen-, Bauchspeicheldrüsen- und Blasenkrebs. Sein Vorkommen wird ebenfalls mit Non-Hodgkin-Lymphomen und Methämoglobinämie in Verbindung gebracht – einer potenziell lebensbedrohlichen Blutkrankheit.
Zusätzlich zu Nitraten wurden in Laboranalysen antibiotikaresistente Bakterien im Stausee gefunden, die bekanntermaßen Krankheiten verursachen, die extrem schwer oder in manchen Fällen sogar unmöglich zu behandeln sind. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) listet diese Superbakterien unter den zehn größten Bedrohungen für die Menschheit. Der starke Geruch aus intensivlandwirtschaftlichen Betrieben ist ebenfalls ein Problem für die öffentliche Gesundheit. In der Beschwerde wird erklärt, dass er durch feine Partikel in der Luft verursacht wird, die insbesondere bei gefährdeten Personengruppen wie Kindern und älteren Menschen Atemwegsprobleme und Asthma auslösen können.
In den wärmsten Monaten des Jahres trauen wir uns nicht einmal, die Fenster zu öffnen, um das Haus zu kühlen – denn dann ist der Geruch aus dem Stausee am schlimmsten. Im Sommer werden die Kopfschmerzen, unter denen ich seit 2012 leide, immer schlimmer und häufiger. Ich war schon unzählige Male beim Arzt, um herauszufinden, woher sie kommen – aber niemand kann mir helfen. Ich glaube, es liegt an dieser Verschmutzung. – Mercedes Álvarez de León, Inhaberin eines lokalen Geschäfts und Klägerin
Trotz der bekannten Risiken haben die Behörden weiterhin Genehmigungen für neue Schweinezuchtbetriebe im industriellen Maßstab in der Region erteilt. Nach Angaben der Kläger*innen scheinen viele dieser Genehmigungen ohne Rücksicht auf das Wohlergehen der Anwohner*innen erteilt worden zu sein.
Dies geschieht trotz klarer Verpflichtungen aus:
- der spanischen Verfassung
- der Europäischen Menschenrechtskonvention
- nationalen und EU-Umweltgesetzen
Sowohl nationales als auch europäisches Recht verpflichten die Behörden, die Gesundheit und das Wohlergehen der Bürger*innen zu schützen – und das Gericht hat nun bestätigt, dass eine Unterlassung dieser Pflicht eine Verletzung des Rechts auf Leben darstellen kann.
Das Urteil ist das erste in Europa, in dem ein Gericht über die Auswirkungen intensiver Tierhaltung auf Wasserquellen entschieden hat.
Dieses Urteil ist ein historischer Sieg für die Umweltgerechtigkeit. Es bestätigt, dass Regierungen gesetzlich verpflichtet sind, gegen Umweltzerstörung vorzugehen, die das Leben von Menschen bedroht.
Es sendet ebenfalls eine starke Botschaft an ganz Europa: Mega-Tierhaltungsbetriebe können nicht unkontrolliert weiterbestehen, und betroffene Gemeinden haben das Recht, Schutz, sauberes Wasser und Rechenschaftspflicht von ihren Behörden zu verlangen. Jurist*innen sagen, dass dieser Fall nun den Weg für Gemeinden in ähnlichen „Opferzonen” ebnet, ähnliche Klagen einzureichen.
Gemeinsam für eine gesunde Zukunft