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ClientEarth

13. November 2019

Energie

“Politik wie aus einem Paralleluniversum” – Reaktion von ClientEarth auf den Entwurf eines Kohleausstiegsgesetzes

Ein vom Bundeswirtschaftsministerium ausgearbeiteter Entwurf zum Kohleausstiegsgesetz wurde heute bekannt. Die Jurist*innen von ClientEarth kritisieren den Text scharf als ein im luftleeren Raum schwebendes Stückwerk und verurteilten vor allem das Versäumnis, den Kohleausstieg stärker an die Klimaschutzziele zu binden.

Prof. Dr. Hermann Ott, Leiter von ClientEarth – Anwälte der Erde, sagte: “Der lang erwartete Entwurf des deutschen Kohleausstiegsgesetzes ist ein Desaster. Er ist voller unbeantworteter Fragen, zielt auf einen inakzeptabel späten Kohleausstieg und erkennt nicht an, wie dringend wir eine Dekarbonisierung der Energiewirtschaft brauchen, um dem Klimawandel zu begegnen.

„Diejenigen, die das Gesetz entworfen haben, scheinen in einem Paralleluniversum zu leben, in welchem Kohle immer noch profitabel ist, in dem Menschen nicht wegen des Abbaus von Kohle aus ihren Häusern vertrieben werden und die Klimakatastrophe um uns herum nicht bereits in vollem Gange ist.

„Wir sehen uns nach wie vor mit dem völligen Versagen konfrontiert, den Ausstieg aus der Braunkohle, der umweltschädlichsten Form der Kohle, in Angriff zu nehmen. Dies deutet darauf hin, dass Energiepolitik in Deutschland nach wie vor von großen Energiekonzernen bestimmt wird.

„Gleichzeitig fehlt ein konsequentes Konzept zur Sicherstellung der Energieversorgung ohne die Kohle, da immer mehr Hindernisse für den Ausbau erneuerbarer Energien geschaffen werden. Dies gefährdet den gesamten Kohleausstieg.

„Deutschland ist eine der führenden Volkswirtschaften Europas, und es ist wirklich peinlich, eine so völlig inkohärente Politik zu sehen, wo wir so dringend wie nie auf starke, solide Klimaschutzmaßnahmen angewiesen sind.”

Kernaspekte des Entwurfs des Kohleausstiegsgesetzes

Der Hauptgrund für die Einberufung der deutschen Kohlekommission war die Frage, wie ein Kohleausstieg zur Reduzierung der CO2-Emissionen im Hinblick auf den erforderlichen Klimaschutz umgesetzt werden kann. Diese Grundüberlegung wird in dem jetzigen Entwurf des Gesetzes jedoch nicht explizit zum Ausdruck gebracht – ohne Klimaschutz als Leitprinzip ist die Wahrscheinlichkeit, dass Kohleausstieg in diesem Sinne nachgeschärft wird, sehr gering.

Der durchgesickerte Gesetzentwurf enthält Bestimmungen, nach denen die ersten Gigawatt (GW) an Steinkohlekraftwerken im Rahmen von Ausschreibungsverfahren bis 2026 schrittweise stillgelegt werden sollen. Erreichen die Ausschreibungen die angestrebte GW-Reduktion aufgrund von Unterzeichnungen nicht, ist im Gesetz jedoch keine ordnungsrechtliche Nachsteuerungsmöglichkeit vorgesehen. Dadurch wird der gesamte Ausstiegspfad gefährdet.

Der Gesetzesentwurf sieht weiterhin vor, dass die Umsetzung des Reduktionspfades für Steinkohle für den Zeitraum von 2027 bis 2038 erst von einer zukünftigen Regierung im Jahr 2022 festgelegt wird. 2032 soll erstmalig das ohnehin späte Enddatum 2038 bewertet werden; frühere Überprüfungen durch ein Expertengremium sollen nach dem Entwurf nur zu Empfehlungen an die Regierung und zu keinerlei Verpflichtungen führen.

Der Gesetzentwurf soll am kommenden Montag durch das Bundeskabinett und wird erst dann in das parlamentarische Verfahren gehen, dies vermutlich aber nicht vor Ende dieses Jahres. Der Gesetzesentwurf enthält noch keine Angaben darüber, wie der Ausstieg aus der Braunkohle in Deutschland erfolgen soll – ein weiteres Versäumnis.

Der durchgesickerte Gesetzesentwurf enthält auch Änderungen an vielen anderen Gesetzestexten, darunter eine baurechtliche Regelung, die den Ausbau der Windenergie in Zukunft erheblich und inakzeptabel einschränken würde.

Weitere Hintergrundinformationen

ClientEarth – Anwälte der Erde und Greenpeace Deutschland haben Anfang des Jahres einen Entwurf für ein Kohleausstiegsgesetz veröffentlicht, in dem die Notwendigkeit betont wird, den Klimaschutz als Hauptziel des Gesetzes festzulegen, um dies als Leitlinie für die Anwendung des Gesetzes zu setzen.

Darüber hinaus haben die Jurist*innen von ClientEarth eine rechtliche Analyse veröffentlicht, warum große Auszahlungen an die Betreiber von Braunkohlekraftwerken für die Schließung ihrer Werke voraussichtlich nicht mit dem EU-Beihilferecht vereinbar sind. Da Braunkohle im heute durchgesickerten Gesetzesentwurf nicht berücksichtigt wurde, gibt es derzeit keine Einschätzung dazu, ob Unternehmen für Stilllegungen eine Entschädigung erhalten werden.

Hunderte von Menschen in Deutschland stehen nach wie vor unter enormem Druck, ihre Heimat zu verlassen zu müssen, um den Braunkohleabbau weiterhin zu ermöglichen – und das trotz der laufenden Diskussionen über den Kohleausstieg und der internationalen Verpflichtung in Sachen Klimaschutz zu handeln.