ClientEarth
26. März 2025
In einem Präzedenzfall haben spanische Bürger*innen Klage gegen nationale und regionale Behörden eingereicht und argumentieren dabei, dass deren Missmanagement der Umweltverschmutzung durch jahrzehntelange intensive Schweinezucht das Leben in ihrer Gemeinde „unmöglich” gemacht habe und ihre Gesundheit gefährde.
Es ist das erste Mal, dass ein europäisches Gericht über die Auswirkungen intensiver Tierhaltung auf die Menschenrechte und die Wasserressourcen verhandelt.
In der Region A Limia in Galizien gibt es Hunderte von Schweine- und Geflügelzuchtbetrieben, deren Betrieb von den lokalen Behörden ohne nennenswerte Auflagen genehmigt wurde. Sowohl nationales als auch europäisches Recht verpflichtet die Behörden, die Gesundheit und das Wohlergehen der Anwohner*innen zu schützen. Die Kläger*innen argumentieren, dass dieser Grundsatz rechtlich gesehen bei der Genehmigung industrieller Landwirtschaftsbetriebe entscheidend sein sollte.
Die Lebensbedingungen in der Region sind jedoch katastrophal: Die Bewohner*innen fühlen sich ernsthaften Gesundheitsrisiken ausgesetzt, trauen sich nicht, Wasser aus ihren Brunnen zu trinken, und können wegen des Gestanks aus den nahe gelegenen Tierhaltungsbetrieben ihre Fenster nicht öffnen. In einigen Fällen wurde auch die kommunale Wasserversorgung verschmutzt.
Da wiederholte Versuche, die lokalen und anderen Behörden aufzufordern, die Verschmutzung in der Region zu bekämpfen, gescheitert sind, haben die Einwohner*innen der Stadt As Conchas nun den Obersten Gerichtshof von Galizien wegen eines Verstoßes gegen nationales und europäisches Recht angerufen. Sie werden dabei von den Umweltorganisationen ClientEarth und Friends of the Earth Spain unterstützt. Zu den Kläger*innen gehört auch die Verbraucherorganisation CECU, die die Region A Limia vertritt.
Pablo Álvarez Veloso, Vorsitzender des örtlichen Nachbarschaftsvereins und Kläger in diesem Fall, sagte:
„Wie viele andere Einwohnerinnen und Einwohner von As Conchas habe auch ich aufgrund der starken Verschmutzung Angst, das Wasser aus unseren eigenen Brunnen zu trinken. Wir sind so besorgt über die Verschmutzung, dass selbst der Gedanke, in der Nähe des Stausees spazieren zu gehen, undenkbar geworden ist.
„Anstatt unsere Gemeinde über das wahre Ausmaß der Verschmutzung in der Region zu informieren, behaupten unsere lokalen Behörden jedoch, das Wasser sei in ‚gutem Zustand‘. Jedes Jahr sagen sie, dass Kinder im Stausee schwimmen und spielen können, ohne dass ein Warnhinweis auf die Giftigkeit des Wassers zu sehen ist.
„Wir haben mehrfach versucht, diese Probleme direkt bei der lokalen Regierung anzusprechen – aber wir glauben, dass man uns nicht zuhört. Deshalb nehmen wir die Angelegenheit selbst in die Hand – wir gehen vor Gericht, um unsere Gemeinde zu schützen.“
Im örtlichen Stausee wurde ein extrem hoher Nitratgehalt gemessen – ein bekannter Risikofaktor für eine Reihe von Krebsarten, darunter Schilddrüsen-, Brust-, Eierstock-, Magen-, Bauchspeicheldrüsen- und Blasenkrebs. Sein Vorkommen wird ebenfalls mit Non-Hodgkin-Lymphomen (NHL) und Methämoglobinämie in Verbindung gebracht – einer potenziell lebensbedrohlichen Bluterkrankung.
Neben Nitraten wurden in dem Stausee auch antibiotikaresistente Bakterien gefunden, die bekanntermaßen Krankheiten verursachen, die sehr schwer (und in einigen Fällen sogar unmöglich) zu behandeln sind. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat gewarnt, dass diese Art von antibiotikaresistenten Superbakterien zu den zehn größten Bedrohungen für die Menschheit zählen.
Der starke Geruch, der von diesen intensiven Anlagen ausgeht, ist laut der Beschwerde auf Feinstaub in der Luft zurückzuführen, der insbesondere bei jungen und älteren Menschen Atemwegsprobleme und Asthma verursachen kann.
Mercedes Álvarez de León, eine Klägerin in diesem Fall und lokale Geschäftsinhaberin, sagte:
„Ich bin vor fast vierzig Jahren nach As Conchas gezogen. Ich habe hier meine Familie großgezogen und mein Geschäft eröffnet – direkt neben unserem örtlichen Stausee – und ich habe miterlebt, wie sehr sich die Gegend zum Schlechten verändert hat.
„In den wärmsten Monaten des Jahres trauen wir uns nicht einmal, die Fenster zu öffnen, um das Haus zu kühlen, weil dann der Gestank aus dem Stausee am schlimmsten ist.
Im Sommer werden die Kopfschmerzen, unter denen ich seit 2012 leide, immer schlimmer und häufiger. Ich war schon unzählige Male beim Arzt, um herauszufinden, woher sie kommen – aber niemand kann mir helfen. Ich glaube, dass sie durch die Umweltverschmutzung verursacht werden.
„Es ist so schlimm geworden, dass ich an manchen Tagen mein Haus nicht mehr verlassen kann.“
Trotz der in der Klage dargelegten eindeutigen Risiken für die öffentliche Gesundheit und der täglichen Probleme, mit denen die Bewohner*innen von As Conchas zu kämpfen haben, lassen die lokalen Behörden diese industriellen Farmen weiterhin ungehindert arbeiten.
Es werden weiterhin Genehmigungen für neue Farmen erteilt, obwohl die Behörden gemäß der spanischen Verfassung, der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie nationalen und europäischen Umweltgesetzen dazu verpflichtet sind.
Nieves Noval, Juristin von ClientEarth, sagte:
„Sowohl die spanische Verfassung als auch das europäische Recht könnten nicht klarer sein: Die Behörden sind gesetzlich verpflichtet, die Menschen vor Schäden zu schützen – und sogar vor der Exposition gegenüber schädlicher Umweltverschmutzung.
„Wir glauben, dass die Behörden diese Einwohner im Stich lassen, denn obwohl sie die Auswirkungen der industriellen Tierhaltung in der Region kennen und in Echtzeit sehen, genehmigen sie diese Standorte immer wieder.
„Dieses Versagen ist rechtswidrig – und hat zu einer Situation geführt, mit der unsere Klägerinnen und Kläger Tag für Tag leben müssen. Die unkontrollierte Verschmutzung gefährdet ihre Gesundheit und beeinträchtigt ihr Wasser, die Luft, die sie atmen, und den Boden, auf dem sie ihre eigenen Lebensmittel anbauen.
„Familien, die seit Generationen in As Conchas leben, haben mit ansehen müssen, wie ihr Zuhause zu einer Müllhalde für Abwasser aus der Viehzucht geworden ist – das darf so nicht weitergehen.
„Wir sind stolz darauf, diese Gemeinde zu unterstützen, und werden ihnen vor Gericht mit allen Mitteln zur Seite stehen, um ihnen zu ihrem Recht zu verhelfen.“
Blanca Ruibal, Vertreterin von Friends of the Earth, die den Fall unterstützt, sagte:
„Die Situation, in der sich die Region A Limia befindet, ist inakzeptabel: Eine ganze Gemeinde leidet unter den Folgen der Verschmutzung durch die industrielle Viehzucht, mit ernsthaften Gesundheitsrisiken und der Unmöglichkeit, ein normales Leben zu führen – laut den Klägerinnen und Klägern aufgrund unzureichender Kontrollen durch die verschiedenen beteiligten Behörden.
„Der Stausee sollte ein Ort sein, an dem sich die Menschen vor Ort erholen können, aber er ist zu einer Jauchegrube geworden.
Dieses Modell der intensiven Landwirtschaft schadet den Menschen und der Umwelt, und die Behörden sind dafür verantwortlich, die Grundrechte der Bevölkerung zu schützen. Es muss dringend ein Plan aufgestellt werden, um die industrielle Tierhaltung zu reduzieren und die Freilandhaltung, die Agrarökologie und Lebensmittelproduktionsmodelle zu fördern, die die Grenzen der Ökosysteme respektieren. Die Regierung muss handeln, um den ländlichen Raum am Leben zu erhalten.
Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um die Klägerinnen und Kläger in dieser ungerechten Situation zu verteidigen und zu unterstützen. Gleichzeitig hoffen wir, dass ein Präzedenzfall geschaffen wird und sich mehr Menschen solchen Klagen anschließen können, um ein für alle Mal die Achtung der Grundrechte der Gemeinden einzufordern.“
David Sánchez, Direktor von CECU, sagte:
„Die lokale Bevölkerung kann das Wasser aus ihren Wasserhähnen nicht ohne Bedenken trinken und muss es stattdessen aus Tankwagen beziehen oder in Flaschen kaufen. Das ist inakzeptabel. Wir fordern die zuständigen Behörden auf, eine Lösung zu finden – sie können sich nicht auf Unkenntnis der Situation berufen. Es liegt in der Verantwortung der Behörden, dafür zu sorgen, dass die Aktivitäten der Viehwirtschaft die Umwelt respektieren und die Wasserversorgung aus Brunnen oder dem kommunalen Netz nicht gefährden.“