Pressemitteilung: 3. Juli 2025
Bahnbrechende Gerichtsentscheidung läutet eine neue Ära der Klimagerechtigkeit ein
ClientEarth reagiert auf das Gutachten des Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte
Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte hat heute eine neue Ära der Klimagerechtigkeit eingeläutet – indem er unmissverständlich festgestellt hat, dass Regierungen mehr zur Bewältigung der Klimakrise tun müssen, und als erstes Gericht seiner Art von Staaten verlangt hat, gegen Klimadesinformation vorzugehen.
In dem heute veröffentlichten wegweisenden Rechtsgutachten haben die Richter*innen:
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bestätigt, dass Staaten verpflichtet sind, Unternehmensemissionen nach internationalem Recht zu regulieren. Dies spiegelt die Rolle die Unternehmen in der Verursachung der Klimakrise wider
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Staaten aufgefordert, Maßnahmen gegen Klimadesinformation zu ergreifen – eine internationale Premiere.
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Die generationsübergreifende Dimension der Klimakrise betont und bekräftigt. Heutige und künftige Generationen werden sowohl mit verstärkten Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert sein und zugleich verstärkt Maßnahmen ergreifen müssen.
Das Gutachten wurde im Januar 2023 von Chile und Kolumbien ersucht. Sie fragten den Gerichtshof explizit, was Staaten gemäß der Amerikanischen Menschenrechtskonvention tun müssen, um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Menschenrechte einzudämmen.
Zu dem Gutachten erklärte Lea Main-Klingst, Juristin bei ClientEarth:
„Es ist vor allem den betroffenen Gemeinden in Amerika zu verdanken, dass dieses Gericht eine völlig beispiellose Entscheidung getroffen hat, die für diejenigen, die sich innerhalb und außerhalb Lateinamerikas für Klimagerechtigkeit einsetzen, von großem Nutzen sein wird.
„Richterinnen und Richter auf der ganzen Welt, die sich mit ähnlichen rechtlichen Fragen zum Klimawandel befassen, haben nun eine konkrete Vorlage, wenn es um eine Reihe von Themen wie die Rechte künftiger Generationen und der Natur geht.
„Und zum ersten Mal überhaupt hat ein internationales Gericht erklärt, dass Staaten Maßnahmen ergreifen müssen, um das immer größer werdende Problem der Desinformation zum Klimawandel anzugehen.“
Die heutige Entscheidung ist die zweite positive internationale Stellungnahme zum Klimawandel und erfolgt kurz bevor das höchste Gericht der Welt – der Internationale Gerichtshof – seine eigenes Rechtsgutachten zu einer Reihe ähnlicher Fragen abgeben wird. [1]
Ebenfalls in nur wenigen Monaten startet die COP30, bei der Klimaaktivist*innen aus aller Welt den Druck auf Regierungen hinsichtlich ihrer Klimaschutzverpflichtungen weiter aufrechterhalten werden.
Zur historischen Bedeutung des Urteils sagte Lea Main-Klingst:
„Seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist das Völkerrecht ein Leitstern um den Schutz der Menschenrechte voranzubringen.”
“Tatsächlich haben viele der Menschenrechte, die wir heute genießen, ihren Ursprung in internationalen Erklärungen, die in nationale, durchsetzbare Gesetzen umgesetzt wurden.”
„Rechtsgutachten wie diese bringen uns einen Schritt näher daran, Regierungen in ihren nationalen Gerichtssälen für Klimawandel zur Rechenschaft zu ziehen – und nun liegt es an der Zivilgesellschaft und Rechtsvertretern überall, dieses neue Instrument zu nutzen.“
„Während immer mehr Länder ihre Klimaschutzmaßnahmen zurückfahren, halten Gerichte wie der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte an der Rechtsstaatlichkeit fest. Sie haben klargestellt, dass die Bewältigung der Klimakrise eine rechtliche Verpflichtung ist, die eine politische Antwort erfordert – und nun richten sich alle Augen auf den Internationalen Gerichtshof, um zu sehen, wie er in diesen Fragen entscheidet.“
Das Gutachten wurde im Januar 2023 von Chile und Kolumbien ersucht. Sie fragten den Gerichtshof explizit, was Staaten gemäß der Amerikanischen Menschenrechtskonvention tun müssen, um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Menschenrechte einzudämmen.
Während der Anhörungen im Jahr 2024 zu den ihm vorgelegten Fragen hörte der Gerichtshof direkt von betroffenen Gemeinden und erhielt eine Rekordzahl an Stellungnahmen von Organisationen aus aller Welt.
Dazu gehörte auch ClientEarth. In der Einreichung argumentierte die gemeinnützige Umweltorganisation, dass Staaten gemäß den Menschenrechtsnormen verpflichtet sind, gegen den Klimawandel vorzugehen. ClientEarth argumentierte ebenfalls, dass Regierungen emissionsintensive Unternehmen besser regulieren müssen und sich nicht auf falsche technologische Lösungen für die Klimakrise verlassen dürfen. [2]
ENDE
Redaktionshinweise:
[1] Der Internationale Gerichtshof (IGH) wird voraussichtlich noch in diesem Jahr ein Gutachten dazu vorlegen, wozu Staaten laut internationalem Recht, einschließlich der Menschenrechte, zur Bewältigung der Klimakrise verpflichtet sind.
[2] ClientEarth argumentierte ebenfalls, dass Menschenrechte im Mittelpunkt staatlicher Maßnahmen zum Klimaschutz stehen müssen, wozu auch die freie, vorherige und informierte Zustimmung indigener Völker sowie die Anerkennung der Auswirkungen des Klimawandels auf die Rechte indigener und lokaler Gemeinschaften, einschließlich des Rechts auf Leben und des Rechts auf Kultur, gehören.
Die vollständige Stellungnahme von ClientEarth ist hier (auf Englisch) verfügbar.
Völkerrechtliche Entwicklungen im Jahr 2024
Im Jahr 2024 gab es eine Reihe wegweisender Gerichtsentscheidungen und Gutachten die verdeutlichten, wozu Staaten nach internationalem Recht im Bereich des Klimawandels verpflichtet sind.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschied im April letzten Jahres, dass die Schweiz ehrgeizigere Klimaschutzmaßnahmen ergreifen müsse, um die Rechte der sogenannten “KlimaSeniorinnen” zu schützen – ein Urteil, das für alle 46 Unterzeichnerstaaten des Europarates verbindlich ist und weltweit eine Rechtserwartung schafft.
Anschließend veröffentlichte der Internationale Seegerichtshof (ITLOS) – die weltweit höchste Instanz für Seerecht – im Mai sein Gutachten zur Klimakrise, in dem er feststellte, dass Staaten ihre Treibhausgasemissionen reduzieren müssen, um dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen und insbesondere ihrer Kernverpflichtung zum Schutz vor Verschmutzung und zur Erhaltung der Meeresumwelt nachzukommen.
Weiter entfernt, in Hawaii, erklärte sich der Bundesstaat im Juni in einer Einigung mit 13 jungen Menschen bereit, sein Verkehrssystem zu dekarbonisieren. Die von Jugendlichen angestrengte Klage argumentierte, dass Hawaii seine verfassungsmäßigen Rechte verletze, indem es Infrastrukturmaßnahmen (d. h. den Bau von Autobahnen) priorisiere, die den Verkehr mit hohen Treibhausgasemissionen festschreiben würden.
Und im August 2024 entschied das Verfassungsgericht Südkoreas, dass der Klimaplan des Landes die Menschenrechte – insbesondere die der jüngeren und zukünftigten Generationen – nicht schützte.
Über ClientEarth – Anwälte der Erde
ClientEarth – Anwälte der Erde ist eine Nichtregierungsorganisation, die das Recht nutzt um die Erde und ihre Bewohner*innen zu schützen. Zusammen mit Bürger*innen und unseren Partnerorganisationen in Deutschland, Europa und weltweit arbeiten wir an Themen wie Klimawandel, Naturschutz und Umweltverschmutzung. Wir nehmen die Industrie und Regierungen in die Verantwortung, um das Leben auf der Erde und das Recht auf eine gesunde Umwelt zu schützen. Mit Büros in Europa, Asien und den USA setzen wir bestehendes Recht durch, unterstützen unterschiedliche Akteur*innen in Umweltverfahren und wirken bei der Gesetzgebung und der Entwicklung des Rechts mit. Wir streben eine nachhaltige und systematische Transformation an, denn eine Welt, in der Mensch und Planet gemeinsam gedeihen, ist nicht nur möglich – sie ist notwendig.