Pressemitteilung: 12. Oktober 2020

Eingabe zu Steinkohle-Ausschreibungen: Zu viel Geld und zu lange am Netz

Die Jurist*innen von ClientEarth üben gegenüber der EU-Kommission mit neuen Erkenntnissen erneut scharfe Kritik am Kohlegesetz. Mit ihrer kürzlich eingereichten beihilferechtlichen Eingabe warnen sie, dass die Bundesregierung durch zu hohe Höchstsätze für die Ausschreibungen den deutschen Ausstieg aus der Steinkohle künstlich in die Länge zieht. Gleichzeitig halten sie die Entschädigungen für Braunkohlebetreiber für deutlich überhöht und befürchten einen Verstoß gegen das umweltrechtliche Verursacherprinzip.

Nach dem kürzlich verabschiedeten Kohleausstiegsgesetz konnten Betreiber bis einschließlich 1. September 2020 an der ersten von acht Ausschreibungsrunden zur Stilllegung ihrer Steinkohlekraftwerke teilnehmen und dadurch eine Entschädigung in Form eines sogenannten „Steinkohlezuschlags“ erhalten. „Im Ausschreibungsverfahren wird die Wirtschaftlichkeit einzelner Kraftwerke nicht berücksichtigt“, kritisiert Francesca Mascha Klein, Juristin im Energie- und Kohleteam von ClientEarth. „Es besteht die Gefahr, dass gerade alte Anlagen in der ersten Runde zu viel Geld erhalten und so Steuergelder verschwendet werden. Dies gilt insbesondere für Anlagen, die schon über 25 Jahre alt und gar nicht mehr wettbewerbsfähig sind.“

Als Alternative zur Teilnahme an den Ausschreibungen können Betreiber ihre Steinkohle-Anlagen auf Gas- oder Biomasse umrüsten und so eine Förderung nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) erhalten. Hierbei stellt Juristin Klein die Förderungswürdigkeit der Anlagen in Frage: „Die Förderung, wie sie durch das KWKG vorgesehen ist, übersteigt in manchen Fällen sogar die Investitionskosten. In Anbetracht der niedrigen Gaspreise und hohen Strompreise würden sich diese Kosten aber ohnehin schnell amortisieren. Eine Förderung ist also gar nicht notwendig. Zudem hat eine Umrüstung auf ein Erdgas-KWK aufgrund seiner CO2– und Methanemissionen verheerende Folgen für das globale Klima und birgt das Risiko eines Lock-In Effekts.“

Entscheiden sich Steinkohlebetreiber nicht für eine der beiden Optionen, werden sie ab 2031 gesetzlich stillgelegt – ganz ohne Entschädigung. „Eine entschädigungslose Stilllegung müsste aber aus wirtschaftlicher und klimapolitischer Sicht schon jetzt für Anlagen, die ihre Lebenszeit überschritten haben, vorgesehen sein “, so Klein weiter.

Ganz anders hingegen stellt sich die Situation für Braunkohlebetreiber dar: Sie haben einen Vertrag mit der Bundesregierung ausgehandelt, demzufolge sie die deutlich überhöhten Entschädigungszahlungen für die Wiedernutzbarmachung der Tagebaue verwenden können. Den Tagebau nach der Nutzung wiederherzustellen entspricht aber nach dem Verursacherprinzip der Pflicht des Betreibers und darf nicht auf die Allgemeinheit abgewälzt werden, so die Kritik der Jurist*innen von ClientEarth.

Die Umweltrechtsorganisation hat sich Anfang September mit einer vertieften Analyse zum Beihilferecht an die Europäische Kommission gewandt. Nach den neuesten Erkenntnissen sind neben dem Vertrag über Entschädigungszahlungen an Braunkohlebetreiber auch die durch Ausschreibungen ermittelten Zahlungen an Betreiber von Steinkohlekraftwerken mit dem EU-Beihilferecht unvereinbar und daher aus Sicht der Umweltjurist*innen eingehend von der Europäischen Kommission zu prüfen.

Hintergrund:

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