Pressemitteilung: 11.07.2025

Gericht entscheidet: Spanien hat Menschenrechte durch Mega-Verschmutzung aufgrund von Massentierhaltung verletzt 

Ein spanisches Gericht hat heute ein wegweisendes Urteil gefällt, das bestätigt, dass nationale und regionale Behörden die Menschenrechte der Einwohner*innen verletzt haben, indem sie die Rekord-Verschmutzung durch Hunderte von Schweine- und Geflügelbetrieben in der Region A Limia nicht eingedämmt haben.

Die Regionalregierung Galiziens (Xunta de Galicia) und die Flussgebietsbehörde Miño-Sil wurden aufgefordert, unverzüglich alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Geruchsbelästigung und die Umweltzerstörung des Stausees As Conchas und seiner Umgebung zu beenden und das Recht auf Leben wieder uneingeschränkt zu gewährleisten. 

Das ist ein wichtiger Schritt, der zeigt, dass die verheerenden Auswirkungen der industriellen Landwirtschaft nicht nur politische Fragen, sondern Menschenrechtsfragen sind.  

Jurist*innen sagen, dass dieser Fall nun den Weg für betroffene Gemeinden ebnet, ähnliche Klagen in ganz Europa einzureichen, um Gerechtigkeit und Schutz von Behörden zu fordern. 

Jahrelange ungeklärte Gesundheitsbeschwerden, extreme Algenblüten und starke Geruchsbelästigung führten dazu, dass regionale Betriebe in eine Existenzkrise gerieten und die Einwohner*innen Angst haben, ihre Häuser zu verlassen. Dennoch leugneten die Behörden weiterhin das Problem und es wurde sogar genehmigt, den Stausee für die Ausrichtung eines Wassersportturniers inmitten einer schweren Algenblüte zu nutzen. Sieben betroffene Anwohner*innen brachten den Fall vor Gericht und reichten Klage gegen mehrere Behörden ein, darunter die Regionalregierung Galiziens (Xunta de Galicia) und die Wasserbehörde. Dabei wurden sie von ClientEarth und Friends of the Earth Spanien unterstützt.  

Während der Gerichtsverhandlungen bestätigten Wissenschaftler*innen das Ausmaß der Verschmutzung des Sees und legten Beweise für multiresistente Keime vor, die als eine der zehn größten Bedrohungen für die Menschheit gelten, sowie für eine starke Nitratbelastung (die zeitweise bis zu 1.000-mal höher war als die üblichen Werte). Nitrate sind ein bekannter Risikofaktor für zahlreiche Krebsarten, darunter Schilddrüsen-, Brust- und Eierstockkrebs. 

In dem wegweisenden Urteil, das heute erschien, sagte das Gericht:  

„Menschenrechte und Umweltschutz hängen voneinander ab. Nachhaltige Umwelt ist für die uneingeschränkte Wahrnehmung der Menschenrechte erforderlich, inklusive des Rechts auf Leben, auf einen angemessenen Lebensstandard, auf Trinkwasser und sanitäre Einrichtungen, auf Wohnraum, auf Teilnahme am kulturellen Leben und auf Entwicklung. Die Bewohner*innen des Dorfes As Conchas, die in dem betroffenen Gebiet leben, befinden sich in einer ernsten Lage, was die Ausübung ihrer täglichen Lebensaktivitäten angeht. Dazu gehört übelster Gestank, die Gefahr der Belastung durch Aerosole, die Verunreinigung privater Brunnen in einem Ausmaß, das diese unbrauchbar macht, der Verlust von Eigentumswerten und ein erhebliches potenzielles Gesundheitsrisiko (...) Das Gericht stellt fest, dass ihnen unbestreitbar ein anhaltender immaterieller Schaden entsteht.“ [inoffizielle Übersetzung aus dem spanischen Original] 

In diesem Fall wurde über die Auswirkungen Wasserverschmutzung durch die Landwirtschaft und deren Auswirkung auf die Grundrechte der Menschen verhandelt. Das ist ein juristisches Novum in Europa. Das Verfahren stützt sich sowohl auf die spanische Verfassung als auch auf europäisches Recht und zeigt, dass die Behörden ihrer darin verbrieften Verpflichtung zum Schutz der Menschen vor Schäden – einschließlich schädlicher Umweltverschmutzung – nicht nachgekommen sind. Das Urteil sendet eine klare Botschaft: Die zuständigen Behörden sind gesetzlich verpflichtet, zu handeln, wenn die öffentliche Gesundheit und die Umwelt gefährdet sind. 

Pablo Álvarez Veloso, Präsident der örtlichen Nachbarschaftsvereinigung und Kläger in diesem Fall, sagte: 

„Nach so vielen Jahren des unermüdlichen Kampfes, in denen wir von denen, die uns eigentlich schützen sollten, im Stich gelassen und ignoriert wurden, hat man uns heute endlich Gehör geschenkt. Der Oberste Gerichtshof von Galizien hat anerkannt, was wir seit so langer Zeit anprangern: Unsere Rechte wurden durch die Untätigkeit der Behörden gegen die Verschmutzung durch die industrielle Tierhaltung verletzt. 

„Dieses historische Urteil macht uns stärker. Wir werden nicht aufgeben, bis der Stausee wieder ein Ort des Lebens ist – ein Ort, an dem wir spazieren gehen, schwimmen und ohne Angst Wasser trinken können. Wir werden weiter Druck ausüben, damit die Behörden ihrer Verantwortung nachkommen und echte Lösungen umsetzen, statt leere Versprechungen zu machen. 

Und vor allem hoffen wir, dass dies ein Wendepunkt für viele andere Gemeinden in ganz Europa ist – dass sie wissen, dass sie nicht allein sind, dass Veränderungen möglich sind, dass Gerechtigkeit manchmal doch siegt. Heute feiern wir – und wir werden uns nicht zum Schweigen bringen lassen." 

Mercedes Álvarez de León, Klägerin in diesem Fall und Inhaberin eines Geschäfts vor Ort, sagte: 

„Es ist eine große Erleichterung und eine riesige Freude. Wir waren völlig verzweifelt, und endlich werden all die Jahre der Qual und des Leidens anerkannt. Während der Gerichtsverhandlung wurde die Tragweite der Situation in der Region deutlich – die hohe Grundwasserverschmutzung und die Risiken, die sie für meine Gesundheit und die meiner Familie mit sich bringt. Die Situation hat uns so tief getroffen, dass wir kein normales Leben mehr führen konnten. 

“Nachdem wir jahrelang von den lokalen Behörden ignoriert wurden, wird nun endlich Gerechtigkeit walten. Ich hoffe, dass unser Leben und das unserer Kinder eines Tages wieder so sein kann, wie es einmal war. Dieses Urteil wird auch anderen Gemeinden helfen, ihre Rechte zu verteidigen. Es ist zutiefst beunruhigend zu wissen, dass wir wie eine „Opferzone” behandelt wurden, dass unsere Grundrechte verletzt wurden. Ich möchte, dass dieser Fall den Behörden in ganz Spanien und Europa als Lehre dient: Es ist ihre Verantwortung, ihre Bevölkerung zu schützen und die Kontrolle über die Umweltverschmutzung durch die industrielle Tierhaltung zurückzugewinnen. Jetzt möchte ich, dass unser Kampf als Beispiel dient – damit andere Gemeinden gehört werden, damit sie nicht schweigen und für ihre Rechte kämpfen.“ 

Angetrieben von Exportmärkten, billigen Produktionsmodellen und schwachen Umweltkontrollen hat die unkontrollierte Ausweitung der intensiven Schweinefleischproduktion in den letzten zwei Jahrzehnten verheerende Auswirkungen in ganz Spanien gehabt. In den zwölf Monaten bis Februar 2025 wurden mehr als 53 Millionen Schweine geschlachtet, womit Spanien zum größten Schweinefleischproduzenten der EU und zum drittgrößten weltweit wurde. Trotz jahrzehntelanger Beweise haben die Behörden und die spanische Regierung die Ausweitung der intensiven Schweinefleischproduktion weiter unterstützt, oft in Gebieten, die ohnehin bereits unter Wasserknappheit und Nitratbelastung leiden. 

Nieves Noval, Juristin bei ClientEarth, sagte:  

„Das heutige bahnbrechende Urteil markiert den Beginn des Weges zur Gerechtigkeit für die Klägerinnen und Kläger, die jahrelang ohne Schutz durch ihre Behörden an der Verschmutzung gelitten haben. Es ist ebenfalls ein Präzedenzfall für Gemeinden in „sacrifice zones“ in ganz Europa. 

„Gemeinden sollten nicht die Lasten der Umweltverschmutzung durch industrielle Tierhaltung tragen müssen. Behörden haben die gesetzliche Verpflichtung, die Grundrechte ihrer Bürgerinnen und Bürger zu schützen, und sie müssen diese erfüllen. In diesem Fall geht es nicht nur um Galizien – solche Umweltverschmutzungs-Hotspots gibt es überall. Wir werden weiterhin an der Seite der Menschen in all diesen sogenannten Opferzonen stehen, um einen grundlegenden Wandel unserer Lebensmittelsysteme zu fordern und ihre Grundrechte zu schützen.“  

Das Urteil bestätigt erstmals, dass das Recht auf Leben bereits dadurch verletzt wird, dass Betroffene gefährlichen Schadstoffen ausgesetzt sind. 

Blanca Ruibal, Vertreterin von Friends of the Earth, die den Fall unterstützt, sagte: 

Dieses Urteil ist ein beispielloser Sieg gegen die industrielle Massentierhaltung. Wir haben die Hoffnung, dass sich für die von der Verschmutzung betroffenen Gemeinden nun neue Wege eröffnen. Nach so vielen Jahren kann die Gemeinde As Conchas endlich in einer ungesunden Umwelt wieder aufatmen. 

“Jetzt müssen die lokalen Behörden handeln. Wir werden wachsam bleiben, um sicherzustellen, dass sie dies auch tun. Wir brauchen einen Plan zur Reduktion der industriellen Tierhaltung und müssen den Übergang zu extensiver Landwirtschaft, Agrarökologie und Modellen fördern, die die Grenzen der Ökosysteme respektieren und dazu beitragen, das ländliche Leben zu erhalten. Die Behörden müssen die Rechte und die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger schützen. Wir werden dies weiterhin fordern und die lokalen Gemeinden unterstützen, die uns brauchen.“ 

David Sánchez, Direktor des spanischen Verbraucherverband CECU, sagte: 

„Heute ist ein historischer Tag für die Verteidigung der Rechte von Verbraucherinnen und Nutzern. Die Behörden sind auch in der Praxis dafür verantwortlich, dass industrielles Handeln die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger nicht beeinträchtigt. Wir hoffen, dass dieses Urteil das Ende des unzumutbaren Zustands einleitet, durch den es der Bevölkerung in ländlichen Gebieten erschwert oder sogar unmöglich gemacht wird, Leitungswasser in ihren Häusern zu trinken, und dass in diesen Fällen Gerechtigkeit hergestellt wird.” 

ENDE

Redaktionshinweise:

Hintergrund des Falls: 

  • Dieser Fall wurde von sieben betroffenen Kläger*innen aus dem Dorf As Conchas und zwei juristischen Personen vorgebracht: der Nachbarschaftsvereinigung von As Conchas, die die Rechte der Einwohner*innen der Stadt vertritt, und dem spanischen Verbraucherverband CECU (La Federación de Consumidores y Usuario), der im Namen der Wasserverbraucher*innen und -nutzer*innen in der gesamten Region A Limia und Baixa Limia handelt. 

  • Das Gericht stellte eine Verletzung grundlegender Rechte fest: das Recht auf Leben in Verbindung mit dem Recht auf Privat- und Familienleben, einschließlich des Rechts auf eine Wohnung, das Recht auf Eigentum, die alle mit dem Zugang zu Wasser und insgesamt mit dem Recht auf eine gesunde und angemessene Umwelt verbunden sind, wie sie in der spanischen Verfassung und in den europäischen Menschenrechtsnormen anerkannt sind.  

  • Die beklagten Behörden wurden verurteilt, den Klägern eine monatliche Zahlung in Höhe von 1.000 Euro ab dem Zeitpunkt der Einreichung der ursprünglichen Klage bis zu einem Höchstbetrag von 30.000 Euro für jeden von ihnen zu leisten (mit Ausnahme eines nicht ansässigen Klägers, für den die maximale Entschädigung auf 6.000 Euro festgesetzt wurde). 

  • Mit Unterstützung von ClientEarth und Friends of the Earth Spanien wurde der Fall gegen drei Instanzen der öffentlichen Verwaltung vorgebracht – die Flussgebietsbehörde Miño-Sil, die Regionalregierung von Galizien (Xunta de Galicia) und fünf lokale Gemeinden in dem betroffenen Gebiet. 

  • In einem anderen Fall hatte ClientEarth zuvor in Italien rechtliche Schritte eingeleitet, nachdem Düngemittel aus dem Haselnussanbau das Ökosystem des Lago di Vico zerstört und das Trinkwasser vergiftet hatten. Der Fall wurde gewonnen, und die Behörden wurden zur Sanierung der Wasserquelle verpflichtet. 

  • Die berühmte spanische Lagune Mar Menor litt unter wiederholten Ökosystemzusammenbrüchen aufgrund einer Flut von landwirtschaftlichen Düngemitteln und Gülle, die kontinuierlich ins Wasser flossen, einen unglaublichen Gestank verursachten und Tausende von Fischkadavern anspülten, wodurch Tourist*innen aus einer zuvor florierenden Gegend vertrieben wurden. Im Jahr 2021 schloss sich ClientEarth mit Ecologistas en Acción zusammen, um rechtliche Schritte einzuleiten. Die Lagune hat seitdem Rechtspersönlichkeit erlangt. 

Weiterer Kontext und weiterführende Literatur: 

  • Im Jahr 2021 hat die Europäische Kommission Spanien vor den Gerichtshof der Europäischen Union gebracht, weil es die Nitratrichtlinie nicht eingehalten hat, da es aufgrund der landwirtschaftlichen Verschmutzung im Land eine hohe Anzahl „nitratgefährdeter Gebiete” gibt. Nach EU-Recht verpflichtet die Nitratrichtlinie (1991) die Mitgliedstaaten, solche Verschmutzungen zu verhindern. Spanien hat jedoch wiederholt gegen diese Verpflichtung verstoßen. 

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Pressekontakt

Johanna Famulok, Senior Communications Officer, jfamulok@clientearth.org , Tel. +49 30 726211926

 

Über ClientEarth – Anwälte der Erde

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