Gemeinsame Pressemitteilung: 18. April 2023

Klage gegen EU-Kommission: Fossiles Gas gehört nicht in die Taxonomie

Umweltorganisationen ziehen vor den Europäischen Gerichtshof, um institutionelles Greenwashing zu verhindern

Die Umweltorganisationen ClientEarth und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) haben - zusammen mit Transport&Environment und dem europäischen Büro des WWF - beim Europäischen Gerichtshof Klage gegen die Einstufung von fossilem Gas in der EU-Taxonomie als „nachhaltig“ eingereicht. Nach Einschätzung der Umweltverbände verstößt die EU-Kommission sowohl gegen ihr eigenes Klimagesetz als auch gegen die Taxonomie-Verordnung. Da die Kommission trotz anhaltender Kritik von Umweltgruppen eine Revision ihrer Entscheidung ablehnt, soll die irreführende Taxonomie-Einstufung über die Verbände-Klage nun vom Europäischen Gerichtshof überprüft werden. Mit einer ersten mündlichen Anhörung rechnen die beschwerdeführenden Organisationen in der zweiten Hälfte von 2024, mit einem Urteil Anfang 2025.

BUND-Vorsitzender Olaf Bandt sagt dazu: „Wir ziehen vor den Europäischen Gerichtshof, um diese dreiste Form des Greenwashing rechtlich überprüfen zu lassen. Vermeintlicher Klimaschutz durch Etikettenschwindel ist inakzeptabel. Mit der Entscheidung, fossiles Erdgas als klimafreundlich zu klassifizieren, hat sich die EU-Kommission sowohl faktisch als auch rechtlich auf sehr dünnes Eis begeben. Echten Klimaschutz gibt es nur mit einem Ausbau der erneuerbaren Energien und Energiesparen im großen Stil. Dringend notwendige Investitionen in vermeintliche Brückentechnologien umzuleiten leistet der Energiewende einen Bärendienst.“

ClientEarth-Juristin Marta Toporek fügt hinzu: „Die Kommission hat diese Einstufung von fossilem Gas als ‚nachhaltig‘ klar rechtswidrig vorgenommen und dabei die Einschätzung ihres eigenen wissenschaftlichen Expertenrates missachtet. Diese Entscheidung steht in Widerspruch zum europäischen Klimagesetz und der Taxonomie-Verordnung selbst. Sie verstößt auch gegen die Verpflichtungen der EU im Rahmen des Pariser Abkommens. Die Weigerung der Kommission, auf unsere Einwände einzugehen und ihren Kurs zu korrigieren, ist enttäuschend. Uns bleibt keine andere Wahl, als uns an den Europäischen Gerichtshof zu wenden, um diese klimapolitische Geisterfahrt zu stoppen.“

BUND, ClientEarth, das WWF European Policy Office sowie Transport & Environment (T&E) hatten im September 2022 mit einem Antrag auf interne Überprüfung rechtliche Schritte eingeleitet, um die Streichung der Kennzeichnung von Strom und Wärme aus fossilem Gas in der EU-Taxonomie als „nachhaltig“ zu erwirken. In ihrer im Februar 2023 vorgelegten Antwort argumentierte die Europäische Kommission, rechtmäßig gehandelt zu haben. Sie sah keine Notwendigkeit, den angefochtenen delegierten Rechtsakt zu überarbeiten. Die antragstellenden Umweltgruppen nutzen mit ihrer Klage die Möglichkeit, diese ablehnende Antwort durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) überprüfen zu lassen.

Hintergrund:

Welches rechtliche Verfahren wird in diesem Fall angewendet?

Im Jahr 2021 wurde eine wegweisende Reform des EU Rechts zum Zugang zu Gerichten verabschiedet. Dadurch wurden die Haupthindernisse beseitigt, die Umwelt-NGOs und Bürger*innen daran hindern, Umweltvergehen vor Gericht anzufechten.

Umwelt-NGOs haben nun das Recht, EU-Organe und -Einrichtungen – in diesem Fall die Europäische Kommission – aufzufordern, eine ihrer eigenen Entscheidungen wegen Verstoßes gegen EU-Umweltrecht zu überprüfen. Die Kommission muss auf eine solche Anfrage innerhalb von 16 bis maximal 22 Wochen offiziell antworten. Stellen die Kläger fest, dass die Antwort der EU Kommission den Rechtsverstoß nicht behebt, können diese Klage vor dem Europäischen Gerichtshof erheben.

Welche Klimaauswirkungen haben Gas und Methan?

Gasförderung und -transport emittieren nicht nur riesige Mengen an CO2, sondern sind auch ein großer Emittent des starken und giftigen Treibhausgases Methan, das in Bezug auf den Klimawandel über 20 Jahre satte 86-mal stärker als Kohlendioxid ist. Methan wird durch das Bohren und Fördern von Gas aus Bohrlöchern und seinen Transport durch Pipelines emittiert. Über das Klima hinaus hat Methan auch verheerende Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit – durch Luftverschmutzung – und Ökosysteme.

Sowohl die IEA als auch das IPCC haben klar gesagt, dass keine neuen Öl- und Gasförderungsprojekte begonnen werden sollten, wenn wir die Erwärmung innerhalb von 1,5 °C halten wollen. Darüber hinaus ergab eine kürzlich durchgeführte Studie, dass fast die Hälfte der bestehenden Produktionsstätten für fossile Brennstoffe frühzeitig geschlossen werden müssen, wenn 1,5 ° C erreicht werden sollen.

Warum erstreckt sich die Klage von ClientEarth, WWF EPO, T&E und BUND nicht auf Kernenergie?

Andere Organisationen sind besser in der Lage, dieses spezifische Problem zu untersuchen. Die Aufnahme der Kernenergie in die Taxonomie ist das Anliegen eines parallelen Verfahrens, das von der Umweltorganisation Greenpeace eingeleitet worden ist.

Über den Bund Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND)

Umwelt schützen. Natur bewahren: Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) ist ein unabhängiger und gemeinnütziger Verband, der auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene arbeitet. Er setzt sich ein für den Schutz unserer Natur und Umwelt – damit die Erde für alle, die auf ihr leben, bewohn¬bar bleibt. Aktuell wird der BUND von 674.000 Menschen unterstützt. Als einer der größten föderal strukturierten deutschen Umweltverbände hat er 16 Landesverbände und rund 2000 Kreis- und Ortsgruppen. Der BUND ist Mitglied des internationalen Netzwerks Friends of the Earth International (FoEI) und hat Partnerorganisationen in rund 70 Ländern. 

Über ClientEarth – Anwälte der Erde

ClientEarth – Anwälte der Erde ist eine Nichtregierungsorganisation, die das Recht nutzt um die Erde und ihre Bewohner*innen zu schützen. Zusammen mit Bürger*innen und unseren Partnerorganisationen in Deutschland, Europa und weltweit arbeiten wir an Themen wie Klimawandel, Naturschutz und Umweltverschmutzung. Wir nehmen die Industrie und Regierungen in die Verantwortung, um das Leben auf der Erde und das Recht auf eine gesunde Umwelt zu schützen. Mit Büros in Europa, Asien und den USA setzen wir bestehendes Recht durch, unterstützen unterschiedliche Akteur*innen in Umweltverfahren und wirken bei der Gesetzgebung und der Entwicklung des Rechts mit. Wir streben eine nachhaltige und systematische Transformation an, denn eine Welt, in der Mensch und Planet gemeinsam gedeihen, ist nicht nur möglich – sie ist notwendig.