Pressemitteilung: 17.05.2024

Portugal gibt Pläne zum Bau eines neuen Flughafens in einem Naturschutzgebiet nach einem Rechtsstreit auf

Der alternative Standort des Flughafens wird nach Ansicht von Umweltgruppen weiterhin weitreichende Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben

Umweltjurist*innen haben auf die Ankündigung der portugiesischen Regierung reagiert, die Pläne für den Bau des neuen Flughafens von Lissabon in einem international geschützten Naturschutzgebiet aufzugeben, nachdem ein langjähriger Rechtsstreit gegen sie geführt wurde.

Jurist*innen von ClientEarth und der Sociedade Portuguesa para o Estudo das Aves (SPEA, BirdLife Portugal) hatten zusammen mit acht portugiesischen Nichtregierungsorganisationen eine Klage eingereicht, um die Pläne für den Bau des neuen Flughafens der Hauptstadt an der Tejo-Mündung zu stoppen, dem wichtigsten Feuchtbiotop Portugals und einem wichtigen Zufluchtsort für Millionen von Zugvögeln.

Die Pläne lösten einen nationalen und internationalen Aufschrei bei Wissenschaftler*innen und in der Öffentlichkeit aus, und die Klage wurde von der portugiesischen Staatsanwaltschaft unterstützt. Das veranlasste die portugiesischen Behörden, die Pläne zu überprüfen und schließlich fallen zu lassen. Die Ankündigung von Premierminister Luis Montenegro bedeutet, dass der Flughafen Montijo an der Tejo-Mündung nicht mehr gebaut wird, sondern ein neuer Flughafen an einem alternativen Standort in der Nähe von Alcochete entsteht.

Die Leiterin des ClientEarth-Büros für die iberische Halbinsel und den Mittelmeerraum, Soledad Gallego, sagte dazu: „Es ist unglaublich, dass die portugiesischen Behörden den Bau eines neuen Flughafens an diesem geschützten Ort in Erwägung gezogen haben. Der Flughafen hätte die Lebensräume dieses unersetzlichen Naturschutzgebietes erheblich gefährdet und die Zugroute von Vögeln von Europa nach Afrika, deren Überleben von diesem einzigartigen Gebiet abhängt, ernsthaft beeinträchtigt. Die Entscheidung, auf den Bau am Tejo zu verzichten, war der einzig gangbare Weg."

Die Gruppen, die ihre Klage im Jahr 2020 einreichten, argumentierten, dass die portugiesischen Behörden die schwerwiegenden Auswirkungen des künftigen Flughafens auf geschützte Zugvögel und Lebensräume im Tajo nicht angemessen berücksichtigt hätten, bevor sie dem Projekt grünes Licht gaben.

Das Versäumnis, die Umweltauswirkungen eines Projekts vollständig zu prüfen, und die voreilige Annahme, dass Vögel stattdessen einfach nahe gelegene Gebiete besiedeln können und werden, stellt einen klaren Verstoß gegen EU- und nationales Recht dar.

Gallego fügte hinzu: „Die Behörden haben eindeutig erkannt, dass der Bau des Flughafens in diesem international geschützten Gebiet mit der Bewältigung der Krise der biologischen Vielfalt, mit der wir konfrontiert sind, unvereinbar wäre. Die Auswirkungen dieses Projekts auf die Zugvögel wären weit über die Grenzen Portugals hinaus zu spüren gewesen.

„Flughäfen haben jedoch globale Klimaauswirkungen, unabhängig davon, wo sie gebaut werden. Die portugiesische Regierung sollte sich fragen, ob der Bau eines neuen Flughafens überhaupt im Einklang mit ihren Klimazielen und im besten Interesse der Gesundheit von Mensch und Natur ist.“

Im Anschluss an die Klage der Gruppen kündigten die portugiesischen Behörden an, eine Strategische Umweltprüfung (SEA) durchzuführen, um den am besten geeigneten Standort für den neuen Flughafen zu ermitteln. Die Ankündigung von Premierminister Montenegro, den Flughafen nun in der Nähe von Alcochete zu bauen, ist das Ergebnis der SEA.

 

ENDE

 

Hinweise an die Redaktion:

Nationale Umweltgruppen, die die Klage von SPEA und ClientEarth unterstützen, sind: Liga para a Protecção da Natureza (LPN), Associação Natureza Portugal (ANP|WWF), ZERO - Associação Sistema Terrestre Sustentável, Fundo para a Protecção dos Animais (FAPAS), Grupo de Estudos de Ordenamento do Território e Ambiente (GEOTA), Associação de Defesa do Património Cultural e Ambiental do Algarve (Almargem) und Associação Cristã de Estudo e Defesa do Ambiente Cruzinha (A Rocha).

Der Fall wird auch von internationalen Expert*innen und Organisationen unterstützt, darunter die Royal Society for the Protection of Birds (RSPB), BirdLife International und BirdLife Netherlands.

 

Regionaler Hintergrund

Der neue Flughafen hätte in der Tejo-Mündung nahe der portugiesischen Hauptstadt gelegen. Sie ist eine der wichtigsten Flussmündungen Westeuropas und Portugals wichtigstes Feuchtgebiet für Wasservögel. Das Gebiet, das von dem neuen Flughafen betroffen wäre, ist als besonderes Schutzgebiet (SPA) und Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung (SCI) im Rahmen des Natura-2000-Netzes der EU, als Ramsar-Feuchtgebiet und als portugiesisches Naturschutzgebiet geschützt.

Die Tajo-Mündung beherbergt regelmäßig bis zu 200.000 überwinternde Vögel und ist der wichtigste Ort im Land für überwinternde Enten, Watvögel und andere Wasservögel wie Flamingos und Möwen. In jeder Zugzeit kann der Tajo mehr als 300.000 Vögel beherbergen, da er ein wichtiger Zwischenstopp für Zugvögel auf ihrer langen Reise ist.

Grundlage für die Klage der Umweltgruppen

Im Januar 2020 genehmigte die portugiesische Umweltbehörde die Umweltverträglichkeitserklärung (UVE) für den Flughafen Montijo.

Im Juni 2020 reichten ClientEarth und die Sociedade Portuguesa para o Estudo das Aves (SPEA, BirdLife Portugal) zusammen mit acht portugiesischen Nichtregierungsorganisationen Klage beim Verwaltungsgericht Lissabon ein. Die Umweltgruppen argumentierten, dass die Umweltverträglichkeitsstudie des Flughafens Montijo, die die Entwicklung des Projekts auf der Grundlage einer Reihe von Bewertungen genehmigt, gegen EU- und nationales Recht verstößt und für nichtig erklärt werden sollte.

Eine UVE ist ein Dokument, in dem die Regierung ihre Bewertung der Auswirkungen eines Projekts auf die Umwelt darlegt. Nach EU-Recht muss eine Reihe von Prüfungen durchgeführt werden, um die Auswirkungen eines Projekts auf ein geschütztes Gebiet zu ermitteln. Erst wenn diese Prüfungen ergeben haben, dass das Gebiet nicht geschädigt wird, kann das Projekt in Angriff genommen werden.

Ausnahmen können nur gemacht werden, wenn es keine Alternativen gibt. In diesen Fällen müssen die Behörden eine Lösung finden, um die durch das Projekt verursachten Schäden zu kompensieren.

In diesem Fall sind die Anwälte der Ansicht, dass die portugiesischen Behörden es versäumt haben, zuverlässige Bewertungen durchzuführen und stattdessen vorgeschlagen haben, die Vögel, die von der Wiederherstellung von Randbereichen des Schutzgebiets betroffen wären, „umzusiedeln“, um die negativen Auswirkungen des Flughafens zu kompensieren.

In Portugal war die Entscheidung für den Bau des neuen Flughafens in Lissabon an der Tejo-Mündung auf öffentliche und politische Empörung gestoßen. Auch Umweltgruppen in Portugal brachten ihre Missbilligung zum Ausdruck, und Experten bezeichneten den Bau als „Verbrechen gegen die Natur“.

In den Niederlanden unterzeichneten Tausende von Menschen eine Petition gegen den Bau, da er eine ernsthafte Bedrohung für die Uferschnepfe, den niederländischen Nationalvogel, darstellen würde.

Über ClientEarth – Anwälte der Erde

ClientEarth – Anwälte der Erde ist eine Nichtregierungsorganisation, die das Recht nutzt um die Erde und ihre Bewohner*innen zu schützen. Zusammen mit Bürger*innen und unseren Partnerorganisationen in Deutschland, Europa und weltweit arbeiten wir an Themen wie Klimawandel, Naturschutz und Umweltverschmutzung. Wir nehmen die Industrie und Regierungen in die Verantwortung, um das Leben auf der Erde und das Recht auf eine gesunde Umwelt zu schützen. Mit Büros in Europa, Asien und den USA setzen wir bestehendes Recht durch, unterstützen unterschiedliche Akteur*innen in Umweltverfahren und wirken bei der Gesetzgebung und der Entwicklung des Rechts mit. Wir streben eine nachhaltige und systematische Transformation an, denn eine Welt, in der Mensch und Planet gemeinsam gedeihen, ist nicht nur möglich – sie ist notwendig.