Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hält wichtige Dokumente zu Absprachen im Zuge des Kohleausstiegs weiter unter Verschluss. Dagegen ziehen die Organisationen ClientEarth und FragDenStaat nun in einem Eilverfahren vor Gericht.
In wenigen Tagen soll das umstrittene Kohlegesetz verabschiedet werden. Doch es fehlt weiter an Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Bis heute legt die Bundesregierung nicht offen, welche wirtschaftlichen und rechtlichen Kriterien den horrenden Entschädigungssummen zugrunde liegen, die Kraftwerksbetreiber für das Braunkohle-Aus erhalten sollen.
Gemeinsam mit FragDenStaat, dem Portal für Informationsfreiheit, haben die Umweltjurist*innen von ClientEarth bereits am 4. März 2020 ein Auskunftsersuchen nach dem Umweltinformationsgesetz an das Bundeswirtschaftsministerium gerichtet. Darin fordern die beiden zivilgesellschaftlichen Organisationen Informationen zu den Verhandlungen zum Kohleausstieg, etwa die Berechnungsgrundlage für Entschädigungen an Konzerne, an. Doch das Ministerium lehnte den Antrag ab.
„Die wichtige Rolle, die die Zivilgesellschaft in der Umweltpolitik spielt, ist international anerkannt. Deswegen gibt es in Deutschland auch ein Recht auf den Zugang zu Umweltinformationen. Das wird vom Wirtschaftsministerium momentan komplett ignoriert. Es scheint, als wolle der zuständige Minister Peter Altmaier der Öffentlichkeit unter keinen Umständen Einblick in seine Absprachen mit der Kohlelobby geben und die Herausgabe der Dokumente nun so lange hinauszögern, bis das Kohlegesetz verabschiedet ist – und der Geldsack zu”, so Prof. Dr. Hermann Ott, Leiter des ClientEarth Deutschlandbüros.
Zivilgesellschaft wird absichtlich ausgeschlossen
Ohne Einsicht in diese Dokumente ist es zivilgesellschaftlichen Organisationen unmöglich, eine fachlich fundierte Bewertung der Kompensationszahlungen vorzunehmen. Auch diejenigen, die über das Gesetz entscheiden, können sich keine faktenbasierte Meinung darüber bilden, worüber sie abstimmen sollen.
“Der Staat beschließt einen goldenen Handschlag mit den Kohlebetreibern, obwohl Studien belegen, dass Braunkohle wirtschaftlich künftig weder rentabel noch zur Deckung des Energiebedarfs notwendig sein wird. Die Steuerzahler*innen, die letztendlich dafür aufkommen müssen, haben ein Recht darauf zu erfahren, wie die Entschädigungssummen zustande gekommen sind. Es steht der Demokratie nicht gut, wenn Milliardensummen ohne öffentliche Kontrolle ausgeschüttet werden”, sagt Arne Semsrott von FragDenStaat.
Damit die Dokumente noch vor Verabschiedung des Kohlegesetzes eingesehen werden können, haben die Organisationen Widerspruch gegen die Entscheidung des BMWi eingelegt – und ziehen, nachdem das Ministerium auf den Widerspruch mehrere Wochen lang nicht geantwortet hat, nun mit einem Eilverfahren vor das Verwaltungsgericht Berlin.
Kohlegesetz: Intransparent, teuer, klimapolitisch untragbar
Bereits in der Vergangenheit hat ClientEarth das geplante Kohleausstiegsgesetz scharf kritisiert. Die enormen Ausgleichszahlungen an die Kohlebetreiber sind wenig plausibel: Studien zufolge werden Kohleunternehmen kaum noch wirtschaftliche Schäden durch den Kohleausstieg entstehen. Auch ist nicht klar, ob die Ausgleichszahlungen im Einklang mit dem EU-Beihilferecht stehen. Zudem macht sich die Bundesregierung durch die Verträge mit Braunkohleunternehmen erpressbar. So könnte ein klimapolitisch notwendiger Kohleausstieg vor 2038 zu Schadensersatz für die Betreiber führen.
Erst durch den LEAG-Skandal im Januar 2020 wurde deutlich, dass die vorgesehenen Entschädigungszahlungen in keinem Verhältnis zu den Verlusten von Kohleunternehmen stehen. So zeigen interne Geschäftsunterlagen, dass der von der LEAG ohnehin festgelegte Stilllegungszeitplan nahezu identisch mit dem Stilllegungszeitplan im aktuellen Entwurf des Kohlegesetzes ist – und das Unternehmen somit durch den Kohleausstieg kaum Verluste erleiden wird.
Bei FragDenStaat finden Sie einen Überblick über das gesamte Verfahren.