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Industrieemissionen müssen drastisch sinken – zentrale Forderungen an die EU-Gesetzgebung

Einer der wichtigsten Rechtsakte der EU zur Bekämpfung der Umweltverschmutzung wird zurzeit überarbeitet. Die neue Fassung der Richtlinie, die Emissionen von rund 50.000 Industrieanlagen in der EU regelt, soll noch in diesem Jahr fertiggestellt werden. Die Diskussionen im Europäischen Parlament und im Rat laufen bereits.

Leider tritt die Industrielobby dabei mit beiden Füßen auf die Bremse – sollten die zuständigen Stellen auf europäischer Ebene ihren Argumenten folgen, wird die Richtlinie über Industrieemissionen (IE-RL) ihr Ziel, Mensch und Natur in hohem Maßezu schützen, verfehlen.

Was müssen die Gesetzgebenden der EU also beachten, wenn die Überarbeitung in die heiße Phase geht?

Die IE-RL regelt Anlagen wie fossile Kraftwerke, Zementfabriken, oder landwirtschaftliche Betriebe. Sie setzt Obergrenzen für schädliche Schadstoffe wie Quecksilber, Schwefeldioxid und andere krebserregende Schwermetalle und Chemikalien. In der Vergangenheit wurde die Industrie durch die IE-RL jedoch zu weitgehend geschont: Die Praxis hat gezeigt, dass entweder die schwächsten Umweltanforderungen wie Grenzwerte für schädliche Emissionen gesetzt wurden, sehr weit gehende Ausnahmen zugelassen wurden oder Unternehmen oftmals selbst bei Verstößen gegen die IE-RL keine nennenswerten Konsequenzen wie wirksame Geldstrafen befürchten mussten.

Mit der Revision der Richtline sollten vor allem zwei große Durchbrüche erreicht werden:

  1. Treibhausgasemissionen sollten endlich in den Fokus geraten –erstaunlicherweise sind die klimaschädlichen Gase im wichtigsten Rechtsakt zur industriellen Umweltverschmutzung bislang nicht geregelt;
  2. Ein Schadensersatzrecht mit erleichterter Beweisführung sollte eingeführt werden  – damit Menschen mit Gesundheitsschäden, die auf ein rechtswidriges Verhalten derjenigen, die industrielle Anlagen betreiben, zurückzuführen sind, rechtliche Schritte einleiten können, ohne dass die Erfolgschancen von vornherein zugunsten des Unternehmens stehen.

Aber diese Durchbrüche stehen nun offenbar auf der Kippe.

Ein wirksames Schadensersatzrecht ist eine zentrale Forderung bei den aktuellen Verhandlungen zur neuen Richtlinie über Industrieemissionen

Eine gute Regulierung – wer sollte das nicht haben wollen?

Die Lobbyisten der Industrie beharren darauf, dass eine strenge Regulierung "missbräuchliche Rechtsstreitigkeiten", z.B. durch Verbände, auslösen könnten. Es wird darüber gestritten, ob strengere Grenzwerte eingehalten werden können (Spoiler: ja, können sie), und ob die Treibhausgasemissionen durch mehr als einen Rechtsakt geregelt werden sollten.

Erschreckenderweise haben diese Argumente an Durchschlagskraft gewonnen, obwohl sie rechtlich unzutreffend sind.

Daher müssen die Gesetzgebenden in den nächsten Wochen, in denen die Lobbyarbeit am stärksten sein wird, die folgenden Grundprinzipien im Auge behalten.

Aktuell können Personen, die in der Nähe eines Stahlwerks, einer Chemieanlage oder eines fossilen Kraftwerks wohnen, die Betreiber nicht für Gesundheitsschäden zur Verantwortung ziehen – selbst dann nicht, wenn sie gegen Rechtsvorschriften verstoßen. Dabei ist klar, dass das EU-Recht Schadensersatz regeln kann, mit effektiven Beweisregelungen. Das tut es schon längst, z.B. im Wettbewerbsrecht. Im Umweltrecht fehlt es – dabei geht es hier um den Schutz der Opfer illegaler industrieller Verschmutzung.

Bellinda Bartolucci

ClientEarth-Juristin

Das Schadensersatzrecht - der rechtliche Teil

ClientEarth hat kürzlich eine Studie über die Vereinbarkeit des vorgeschlagenen Schadensersatzrechts mit nationalen Rechtssystemen in den EU-Mitgliedstaaten in Auftrag gegeben. Die gute Nachricht: Ein europäisches Schadensersatzrecht samt angepasster Beweislast lässt sich ohne weiteres auf nationaler Ebene integrieren.

Das Vorhandensein eines Rechtsbehelfs für den Fall, dass die Gesundheit von Menschen durch unzureichende Vorschriften oder deren fehlende Durchsetzung geschädigt wird, ist ein wichtiger Bestandteil unserer Demokratie. Ein Recht auf Entschädigung wurde auch in der aktualisierten EU-Richtlinie über die Luftqualität vorgeschlagen.

Bislang war es für Menschen, die unter illegaler industrieller Verschmutzung leiden, nahezu unmöglich, eine Entschädigung für die erlittenen Schäden zu verlangen – vor allem, da es sehr schwierig sein kann, einen Kausalzusammenhang zwischen dem spezifischen Verstoß gegen die IE-RL und dem erlittenen Gesundheitsschaden nachzuweisen.

Das neue Schadensersatzrecht sieht nun eine Anpassung der Beweislast vor: Opfer von Gesundheitsschäden, die auf rechtswidrige industrielle Verschmutzung zurückzuführen sind, können einen Schadensersatzanspruch geltend machen. Sie müssen zwar weiterhin einen grundsätzlichen Zusammenhang zwischen dem Gesundheitsschaden und dem Verstoß gegen die IE-RL darlegen, von da an obliegt es aber denjenigen, die die Anlagen betreiben, vollends zu beweisen, dass der Verstoß den Gesundheitsschaden nicht verursacht oder zu ihm beigetragen hat.

Dieses Konzept der Beweisführungsanpassung gibt es bereits in anderen EU-Richtlinien, die bereits in nationales Recht umgesetzt wurden – unter anderem durch Rechtsakte zur Antidiskriminierung und zum Wettbewerb. Keine dieser Richtlinien hat zu übermäßigen Rechtsstreitigkeiten geführt, wie die Gegner der neuen IE-RL zu argumentieren versuchen.

Die Industrie ist grundsätzlich dazu da, der Menschheit zu nützen. Aber stattdessen schädigt ihre giftige Verschmutzung unsere Gesundheit und kostet Menschenleben. Wo liegt da der Sinn?Mensch und Natur dürfen nicht die Kollateralschäden der Industrie sein, die uns eigentlich versorgen soll. Die neuen Rechtsvorschriften müssen auf der Seite der Menschen stehen – es braucht daher strenge Verschmutzungsgrenzwerte und ein effektives Schadensersatzrecht.

Madalina Popirtaru

ClientEarth-Juristin