ClientEarth
20. Oktober 2022
Große Unternehmen haben großen Einfluss auf Regierungen. Gespräche zwischen Wirtschaftsführer*innen und wichtigen Entscheidungsträger*innen prägen die Politik – zum Beispiel in Sachen Klimawandel.
Die Beeinflussung erfolgt oft wenig durchschaubar, etwa durch Mitgliedschaften in Wirtschaftsverbänden, für die beachtliche Geldbeträge aufgewendet werden. Diese Organisationen sind dazu da, die Interessen der Mitgliedsunternehmen gegenüber der Politik zu vertreten. Als mächtigste Lobbyverbände in Deutschland gelten der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZVDH) und auch der Verband der Automobilindustrie (VDA). Ähnliche Zusammenschlüsse gibt es auch auf europäischer Ebene.
Die Unternehmen betreiben auch direkte Lobbyarbeit. Die zehn finanzstärksten Unternehmen der Europäischen Union haben im letzten Jahr jeweils zwischen drei und sechs Millionen Euro für Lobbyarbeit aufgewendet.
Und dann gibt es noch die Hinterzimmergespräche – viele Treffen, Mittagessen und beiläufige Telefonate zwischen Unternehmensleitungen und Ministerialbeamt*innen, von denen die Öffentlichkeit nichts erfährt.
Haben Aktionäre ein Mitspracherecht bei der Lobbyarbeit von Unternehmen?
Das Problem ist, dass Investor*innen, die einem Unternehmen den finanziellen Rückhalt geben, den es zum Überleben braucht, von all diesen Interaktionen nichts mitbekommen. Das ist ein Problem für sie – denn sie haben ein materielles Interesse daran, dass der Klimawandel eingedämmt wird, damit ihr Geld und unsere Welt sicher bleiben.
In Deutschland ist Volkswagen ein Mega-Einflussnehmer der Automobilbranche. Das Unternehmen ist Mitglied in mehreren Wirtschaftsverbänden in Deutschland sowie auf der europäischen Ebene und verfügt über beste Regierungskontakte in Bund und Ländern. Das bedeutet, dass das Unternehmen großen Einfluss auf die Politik nehmen kann: zum Beispiel darauf, wie schnell Diesel- und Benzinfahrzeuge aus dem Verkehr gezogen werden. Volkswagen gibt zwar Auskunft darüber, in welchen Verbänden sie Mitglied ist, sagt ihren Anleger*innen aber nicht, wie sie diese Einflussmöglichkeiten nutzt – trotz jahrelanger Bemühungen einzelner Aktionär*innen, hier Klarheit zu bekommen.
Aus diesem Grund haben sieben institutionelle Anleger*innen – mit einem verwalteten Vermögen in zweistelliger Milliardenhöhe – Klage gegen die Volkswagen AG eingereicht. Sie sehen keinen anderen Weg, als durch ein Gerichtsurteil die gebotene Transparenz in der Klimaberichterstattung börsennotierter Unternehmen zu erzwingen. Unterstützt werden sie dabei von ClientEarth.
Es ist äußerst enttäuschend, dass wir uns an die Gerichte wenden müssen, damit VW sich an Standards orientiert, die bei anderen Unternehmen in der Automobilbranche längst üblich sind.
"Volkswagen ist derzeit nicht in der Lage nachzuweisen, dass die Lobbyarbeit, die es über seine Mitgliedschaften in Industrieverbänden betreibt und finanziert, mit seinen eigenen Klimazielen übereinstimmt“, erklärt Adam Matthews vom Church of England Pensions Board, eins der klagenden Anteilseigner*innen. „Die Unnachgiebigkeit der Unternehmensführung wirft ernste Fragen darüber auf, wovor sie Angst haben. Es ist äußerst enttäuschend, dass wir uns an die Gerichte wenden müssen, damit VW sich an Standards orientiert, die bei anderen Unternehmen in der Automobilbranche längst üblich sind.“
„Weltweit reden viel zu viele großen Unternehmen von grünen Themen, versuchen aber gleichzeitig hinter den Kulissen, eine effektive Klimapolitik auszubremsen,“ unterstreicht auch Hermann Ott, Leiter des deutschen Büros von ClientEarth. „Nach all den negativen Schlagzeilen der vergangenen Jahre müsste Volkswagen es als ureigenes Interesse begreifen, das Vertrauen der Öffentlichkeit und ganz besonders auch der Investor*innen zurückzugewinnen. Der beste Weg, auf die Bedenken einzugehen, ist die Offenlegung von Lobbying-Aktivitäten.“
Ein positives Urteil würde bestätigen, dass Minderheitsaktionäre in Deutschland – die viele Millionen Euro an dem Unternehmen halten – das Recht haben, Punkte auf die Tagesordnung der Hauptversammlungen zu setzen, damit alle Aktionäre darüber abstimmen können. Dies könnte ein systematisches Zurückdrängen von Forderungen nach Transparenz und Information verhindern. Das hätte positive Auswirkungen auf ein breites Spektrum von weiteren Themen wie Vielfalt und Integration, Diskriminierung und Interessenkonflikte. Dies wäre eine wertvolle Rechtsgrundlage für verantwortungsvolle Investitionen und würde dazu beitragen, gute Unternehmensführung in allen deutschen Aktiengesellschaften zu gewährleisten.
Die vollständige Pressemitteilung zur Klage gegen Volkswagen können Sie hier lesen.