Pressemitteilung: 13. März 2023

Ohne Sektorziele kein Klimaschutz: Juristische Studie beleuchtet Notwendigkeit konkreter Zielvorgaben

In der Ampelkoalition wird aktuell über eine Reform des Klimaschutzgesetzes diskutiert. Eine aktuelle rechtliche Studie der Umweltrechtsorganisationen ClientEarth und Green Legal Impact (GLI) kommt zum Ergebnis, dass die Sektorziele im Klimaschutzgesetz nicht ersatzlos gestrichen werden dürfen. Die Umsetzung der verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum effektiven Klimaschutz scheitert bislang unter anderem an fehlenden konkreten Vorgaben für die Behörden, so die Autor*innen.

Das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) dient der Umsetzung der verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Staates zu effektivem Klimaschutz. Als Rahmengesetz setzt es die zu erreichenden nationalen Reduktionsziele fest und definiert für die jeweiligen Sektoren die jährlich zulässigen Emissionsmengen. Aus verfassungsrechtlicher Sicht dürfen diese sektoralen Ziele nicht ersatzlos wegfallen, wie es derzeit vereinzelt gefordert wird. Dennoch sind auch sie nur eine Grundlage für wirksamen Klimaschutz und keine hinreichende Bedingung, argumentieren die Umweltrechtler*innen von ClientEarth und GLI in einer heute vorgestellten Studie.

„Konkrete, quantifizierte, jahres- und sektorspezifische Ziele sind eine notwendige Voraussetzung für ambitionierten und effektiven Klimaschutz“, sagt Dr. Christiane Gerstetter, Juristin bei ClientEarth und Co-Autorin der Studie. „Ohne solche Zielvorgaben fehlt den Behörden bei ihren Entscheidungen ein klimabezogener Maßstab. Das gilt ebenso für eine mögliche gerichtliche Überprüfung solcher Entscheidungen.“

„Regierung und Behörden scheitern in Deutschland derzeit kläglich an der Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflicht, beim Klimaschutz zu liefern“, fügt Philipp Schönberger, Referent bei GLI und Mitverfasser der Untersuchung, hinzu. „Die selbstgesteckten Ziele und die tatsächliche Performance driften zunehmend auseinander; das Erreichen der Zielmarken für 2030 liegt derzeit weit außer Reichweite. Das besondere verfassungsrechtliche Gewicht des Klimaschutzes muss sich endlich auch in der Planungs- und Genehmigungspraxis widerspiegeln. Dafür brauchen die Behörden konkrete Leitlinien, Standards, Anwendungsdirektiven und Verwaltungsvorschriften.“

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Klima-Beschluss in 2021 klargestellt, dass sich aus Artikel 20a und den Grundrechten des Grundgesetzes eine klare Verpflichtung des Staates zu effektivem Klimaschutz, zur Sicherung von Freiheitschancen in der Zukunft und zum Erreichen selbstgesetzter Klimaziele ergibt.

Das KSG beinhaltet mit § 13 bereits eine Norm, die eine Rückkopplung von Ermessens- und Abwägungsentscheidungen der Behörden an diese Ziele vorsieht. Die von ClientEarth und GLI vorgelegte juristische Kurzstudie zeigt, dass dafür die Mechanismen des Gesetzes nachjustiert und weiterentwickelt werden müssen. Mit dem Berücksichtigungsgebot aus § 13 KSG sieht das Klimaschutzgesetz bereits ein potentiell wirksames Instrument vor, um die Einhaltung der Ziele durch die Exekutive sicherzustellen. Für die Umsetzung in die Praxis bedarf es jedoch dringend einer weiteren Konkretisierung und Schärfung der Vorschrift. Überall dort, wo Treibhausgasemissionen unter staatlicher Kontrolle verursacht werden, ist eine Abstimmung mit den Klimazielen erforderlich.

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Über ClientEarth – Anwälte der Erde

ClientEarth – Anwälte der Erde ist eine Nichtregierungsorganisation, die das Recht nutzt um die Erde und ihre Bewohner*innen zu schützen. Zusammen mit Bürger*innen und unseren Partnerorganisationen in Deutschland, Europa und weltweit arbeiten wir an Themen wie Klimawandel, Naturschutz und Umweltverschmutzung. Wir nehmen die Industrie und Regierungen in die Verantwortung, um das Leben auf der Erde und das Recht auf eine gesunde Umwelt zu schützen. Mit Büros in Europa, Asien und den USA setzen wir bestehendes Recht durch, unterstützen unterschiedliche Akteur*innen in Umweltverfahren und wirken bei der Gesetzgebung und der Entwicklung des Rechts mit. Wir streben eine nachhaltige und systematische Transformation an, denn eine Welt, in der Mensch und Planet gemeinsam gedeihen, ist nicht nur möglich – sie ist notwendig.

Über Green Legal Impact (GLI)

Der Verein Green Legal Impact Germany e.V. (GLI) wurde im Dezember 2019 in Berlin gegründet und versteht sich als „katalytisch-strategischer Akteur“ im Bereich Umweltrecht in Deutschland. Der Verein will den Zugang zu Gerichten stärken, und in einer fortschreitend globalisierten Welt helfen, die Umweltauswirkungen deutscher Akteur*innen im Ausland (staatliches und unternehmerisches Handeln) zu erkennen und globale Akteur*innen in ihrem rechtlichen Vorgehen stärken. Dies soll auch zu einer Verbesserung von nationalen und internationalen Umweltstandards beitragen. Dafür kooperiert GLI international mit Umweltjurist*innen aus über 70 Ländern weltweit und unterstützt Vereinigungen mit umweltrechtlichen oder (oft deckungsgleich) menschenrechtlichen Ansätzen in ihren Anliegen, um Kampagnen und öffentlichkeitswirksame Debatten zu stärken.