Pressemitteilung: 16. Dezember 2020

Verfrühte Zustimmung zum Braunkohlevertrag nicht zu rechtfertigen – Jurist*innen mit Kritik am Bundeskabinett

Die Jurist*innen der Umweltrechtsorganisation ClientEarth kritisieren nach Veröffentlichung eines Artikels von n-tv am 15. Dezember 2020 die Zustimmung des Bundeskabinetts zum öffentlich-rechtlichen Vertrag mit Braunkohlebetreibenden am heutigen Tag. Sie weisen darauf hin, dass die Rahmenbedingungen mit der nach wie vor ausstehenden beihilferechtlichen Genehmigung der Entschädigungen durch die Europäischen Kommission immer noch offen sind. Hinzu kommt, dass auch ein kürzlich veröffentlichtes Gutachten im Auftrag der Bundesregierung zur Berechnung der Entschädigungen dem Kohleausstieg bescheinigt, von der Realität überholt worden zu sein. Jetzt muss der Bundestag handeln und die Zustimmung zur Vertragsunterzeichnung verweigern.

„Die Zustimmung durch das Bundeskabinett besiegelt den Willen, einen überholten Kohleausstieg festzuschreiben – jedem Zweifel zum Trotz. Mit der Ankündigung der Europäischen Kommission bestand Grund genug, noch einmal innezuhalten und abzuwarten, zumal bei den Entschädigungen die Intransparenz fortgeschrieben wird. Die Zustimmung zum Vertrag unter diesen Bedingungen ist ein Geschenk an die Betreibenden, da dieser Probleme in der Zukunft schafft, wenn ein Mehr an Klimaschutz erforderlich wird“, so Ida Westphal, Juristin von ClientEarth.

„Nun ist der Bundestag gefordert – die Abgeordneten sollten die Zustimmung zur Vertragsunterzeichnung verweigern. Dies umso mehr, als nun mehr bekannt geworden ist, dass ihnen wichtige Grundlagen in Bezug auf die Vereinbarungen zum Kohleausstieg vorenthalten wurden. Das gestern still und heimlich veröffentlichte Gutachten des Wirtschaftsministeriums zeigt deutlich, warum es so lange zurückgehalten wurde – es hätte das Kohlegesetz sonst in der jetzigen Form vielleicht nie gegeben, da es von der Realität überholt worden ist. ClientEarth hat vor der Verabschiedung des Gesetzes ein Eilverfahren zur Erlangung dieses Gutachtens geführt – leider erfolglos. Das Gericht verwies auf die Bedeutung des Gutachtens für den Gesetzgebungsprozess. Nun scheint sich das Wirtschaftsministerium damit aber in Widersprüche zu verstricken, wenn es einerseits sagt, die Vorgaben des Gutachtens entsprächen nicht denen des Gesetzes und sich andererseits im Eilverfahren darauf berufen hat und jetzt bestätigt, dass das Gutachten in das Gesetz eingeflossen ist.“

Mit der Zustimmung des Bundestags zum Abschluss des Vertrags wäre der goldene Handschlag der Bundesregierung mit Braunkohlebetreibenden über Entschädigungen in Höhe von 4,35 Milliarden Euro zunächst besiegelt und der Vertrag würde nach weiterer Unterschrift durch die Betreibenden in Kraft treten. Die Europäische Kommission hatte aber bereits Ende November angekündigt, die Entschädigungen noch zu prüfen, die den Eingaben der Umweltjurist*innen von ClientEarth zufolge, nicht mit dem Beihilferecht vereinbar sind. Die Jurist*innen hatten neben ihren beihilferechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Zahlungen für den Ausstieg aus der Braunkohle auch auf eine Studie des Öko-Instituts mit konkreten Berechnungen der Milliardenentschädigungen für Braunkohlebetreibende und ein rechtliches Gutachten zum Verstoß gegen das umweltrechtliche Verursacherprinzip verwiesen.

„Die Einleitung eines förmlichen Prüfverfahrens der Europäische Kommission zeigt sehr deutlich, dass der Vertrag mit den Betreibenden in der derzeitigen Form nicht ohne Weiteres unterzeichnet werden sollte und die Beihilfeentscheidung abgewartet werden sollte. Denn ein förmliches Prüfverfahren wird nur bei erheblichen Zweifeln oder fehlenden Informationen eingeleitet“, so Westphal weiter.

Über ClientEarth – Anwälte der Erde

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